Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Gunnar Landsgesell · 08. Aug 2013 · Film

Lone Ranger

Ein biederer Anwalt wird im Texas des 19. Jahrhundert zum Lone Ranger, begleitet von einem schweigsamen Indianer, auf der Jagd nach dem Mörder seines Bruders. Was "Lone Ranger" unter der kopflosen Regie von Gore Verbinsky ("Piraten der Karibik") eigentlich werden sollte, wird man wohl nie erfahren. Zu sehen ist eine in sich zerrissene Westernoperette zwischen Kinderträumen, ultrabrutalen Szenen und einem lähmenden Johnny Depp als surrealen Indianerhäuptling.

Der Film zur Diskussion, die zuletzt Steven Spielberg und George Lucas wieder aufgegriffen haben: Hollywood stünde vor der Implosion, weil das Geld in zu viele superteure Blockbuster gesteckt werde, während kreative Produktionen zunehmend nicht mehr produziert oder ihren Weg nicht mehr in die Kinos finden würden. Komisch, irgendwie wirkt  „Lone Ranger“ wie ein Beispiel dafür, wovor Spielberg und ein Jahr zuvor der Filmpublizist David Danby so wie andere Kommentatoren zuvor warnten. Filme, die auf dem Reißbrett entstehen, aus Versatzstücken etlicher Filme nach einer „Erfolgsformel“ zusammengebastelt, möglichst viele andere (kleinere) Produktionen kannibalisieren sollen. Und auch ein kreativitätsverweigernder Effekt ist erwünscht: Erfolg soll alles garantieren, was dem Publikum bereits bekannt vorkommt. Was aber, wenn das Publikum, derart „abgeholt“, plötzlich einnickt?
Wem das während der endlos langen 150 Minuten der „Franchise“-Partner Gore Verbinsky und Johnny Depp (und Produzent Jerry Bruckheimer) passiert, der sei jedenfalls entschuldigt. Dabei ist der Neo-Western(?) „Lone Ranger“ kein „schlechter“ Film, nur so aufregend wie eine Fahrt in der Grottenbahn. Doch schon der Topos der Eisenbahn, der sich in „Lone Ranger“ als gewaltige Metapher westlicher Zivilisationsgeschichte zieht, gemahnt mit seinen müden Stunts an einen Mann, der die Dynamik des Eisenrosses vor bald 90 Jahren mit Witz und Aberwitz nutzte: Buster Keaton in „The General“. Unter der Regie von Gore Verbinsky geraten die vielen Szenen auf und entlang der Bahn nur zu einem endlosen Band an fehlgeleiteter Aktion. Was hier ein Alter einem Jungen prophezeit: Diese Bahn wird die Ostküste mit der Westküste erschließen, und von dort fährt man dann mit dem Schiff bis nach China – also die Versprechung eines globalen, grenzenlosen Träumens und Reisens, gilt gerade für diesen Film nicht. „Lone Ranger“ unterbricht sich in seiner hektischen Rückblenden-Montage ständig selbst und kommt nicht und nicht vom Ort. Als recht statisch nimmt man auch die Hauptfigur wahr, die kurioserweise gar nicht der „Lone Ranger“ ist, sondern Johnny Depp als ein native american, der Krieger Tonto. Ihm begegnet zu Beginn des Films ein kleiner Junge mit Zorro-Maske in einem Museum, wo eine faltige Wachsfigur des Apachen-Chiefs, die vor ihrer Savannenkulisse plötzlich zu ihm spricht. Wie in einer dieser biederen Disney-Produktion führt Tonto den Jungen noch einmal in die Abenteuer des Wilden Westens: Als er mit dem grausamen Bandenboss Butch Cavendish (das dreckige Gegenstück zu „Sunshine-Kid Butch Cassidy) per Zug in ein Gefängnis verbracht werden soll, neben diesem flüchten kann und schließlich zum Verbündeten auf der Jagd des Lone Ranger (Armie Hammer, gleichfalls mit Zorro-Maske) nach Cavendish wird.

Spannend ist das allerdings nicht.

Johnny Depp hält zwar die Tonalität seiner Figur exakt zwischen Stoizismus und surreal, das Ergebnis wirkt aber nicht nach einer guten Idee, nur lähmend. Den erzählerischen Ausgangspunkt der Musealisierung kann Tonto nie überschreiten. Etwas anders verhält es sich mit dem Bösewicht. Cavendish schneidet in einer Szene einem toten Widersacher das Herz aus der Brust und verspeist davon ein Stück. Szenen wie diese stehen in ziemlichem Widerspruch zur harmlosen Komik, um die sich dieser Männlichkeitsschwank oft genug bemüht. Darüber hinaus erzählen sie etwas über die Entstehung solcher 150-Millionen-Dollar-oder-mehr-Produktionen, die so lange auf den Markt hinkonzipiert werden, dass die Frage, was eigentlich erzählt werden soll, vergessen ist. Der noble Wilde, der brave Sherriff, der böse Wicht, sie alle sind Versatzstücke, die nicht zufällig im gleichen Film gelandet sind, sondern weil ihr Mix Erfolg verspricht. Diesmal nicht.