Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Gunnar Landsgesell · 17. Okt 2013 · Film

Liberace

Er wollte vom Publikum geliebt werden, privat bezahlte er dafür aber auch viel Geld. Der Starpianist Liberace hielt sich einen auf Manipulation und Intrige basierenden kleinen Hofstaat, während er trotz seiner queeren Selbstinszenierungen öffentlich als straighter Künstler mit Schwiegersohn-Image strahlte. Michael Douglas und Matt Damon als Liebhaber/Adoptivsohn lassen noch einmal einen famosen Blick hinter den goldenen Kronleuchter zu.

Ein Polarfuchsmantel verspricht zwar Exklusivität und Exotik, ist aber definitiv zu heiß für einen Bühnenauftritt in der Wüstenmetropole Las Vegas. Liberace lässt sich in diesem queeren Prachtstück kurz vom Publikum bestaunen, schlägt darin ein paar mal wie mit Schmetterlingsflügeln und legt den Pelz dann mit den Worten ab, dass dieser doch zu schweißtreibend sei. In solchen Momenten passt alles in diesem Biopic, das Steven Soderbergh für den Fernsehsender HBO gedreht hat: Michael Douglas, der mit schleimig-nasaler Stimme den Hausfrauenschwarm und Junge-Männer-liebenden Entertainer gibt, diesen aber nicht verulkt; das Drehbuch, das Liberace zwischen bizarr ausgelebtem Narzissmus und bübischer Schlichtheit präzise einfängt; die Ausstattung, die teils ziemlich übertrieben wirkt, tatsächlich aber einfach nur den überlieferten Bildern des Starpianisten zu entsprechen sucht. Ein Mann, der seine Persona so schillernd zu inszenieren verstand, bietet sich natürlich ideal für ein haptisch-sinnliches Erleben im Kino an. Soderbergh und Douglas schaffen Entertainment und Oberflächenreize, die teils, man kann das auf Youtube prüfen, bereits vom Meister selbst genau so ersonnen wurden. Das großartig-schwülstige Hey-Lied zum Beispiel, in dem erst Frauen, dann Burschen und schließlich das gesamte Publikum dem Meister mit dem goldenen Kerzenständer zurufen darf.

Täuschen und blenden

Liberace, diszipliniertes Pianistenwunderkind eines polnisch-italienischen Einwanderer-Ehepaares, war in den Sechzigern in den USA bekannter als Elvis. In Europa blieb er bis heute weitgehend unbekannt. 1987 starb Lee, wie er genannt wurde, an Aids. Die Frage, warum man diesem Liberace heute ein filmisches Portrait nachschieben soll, ist natürlich nicht nur der Exaltiertheit dieses Mannes geschuldet. Der öffentlich stets auf seine Heterosexualität pochende Künstler hielt sich eine Art Hofstaat, in dem nicht nur original-römische Säulen die Anwesen zierten, sondern neben kleinen Hündchen auch mehrere junge attraktive Burschen, die für ihre Präsenz und ihre Verschwiegenheit gut bezahlt – und bei Mißfallen rasch ausgetauscht wurden. Der von Matt Damon mit entwaffnender Schlichtheit verkörperte Liebhaber Liberaces brachte es dabei am weitesten – bis zum Adoptivsohn. Freilich verliert er, ganz wie sein reales Vorbild, auf tragische Weise schließlich Halt, Status und Geld. Drogen spielen dabei eine wesentliche Rolle. Für die vergleichsweise explizite Darstellung Damons und Douglas’ wären die beiden vor 20 Jahren vielleicht noch von der US-Öffentlichkeit abgestraft worden – so aber gab es einen Emmy für Michael Douglas. Das erzählt auch etwas über die Scheinmoral, die die Kunstfigur Liberace mit hervorgebracht hat. Soderbergh strapaziert das nicht, streicht aber das Manipulationstalent seines Protagonisten als wichtigen Teil in dieser Ordnung des Täuschens und Blendens heraus. Loyalität und Liebesdienst im Palazzo, genial klimpernder Schwiegersohn auf der Bühne – dazwischen ein farb- und formensprengendes Leben. Fast glaubt man, hier sei einem dieser Künstler noch einmal begegnet.