Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Gunnar Landsgesell · 30. Mär 2018 · Film

Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Eine Welt, so kurios, wie sie nur Kinder sehen können, oder der Autor Michael Ende: "Jim Knopf" ist ein gleichermaßen altmodisches wie modernes Märchen, das den kleinen schwarzen Jungen Jim Knopf in eine sorgfältig adaptierte Fantasiewelt zwischen Riesen, Drachen und einer Prinzessin folgt.

Auf die gute Emma ist Verlass. Auf dem tosenden Meer, in der endlosen Wüste oder in der Region der schwarzen Felsen, deren schwarzes Nichts alles verschluckt, weshalb sich noch nie jemand dorthin gewagt hat. Emma ist die Lokomotive in dieser Geschichte. Ein altes gemütliches Schlachtross, das seine Passagiere mit einem freundlichen Pfeifen begleitet und sie durch alle Gefahren leitet. Den Lokomotivführer Lukas verbindet eine zärtliche Beziehung zu dem Gefährt. Fast stiehlt Emma dem kleinen schwarzen Jungen Jim Knopf die Schau, denn in der Verfilmung dieses Kinderbuchklassikers von Michael Ende aus dem Jahr 1960 strahlt sie ein Gefühl des Behütetseins aus, während sie zugleich ihre Schienen verlässt, um in ein Reich kurioser Ereignisse zu führen. Regisseur Dennis Gansel hat sich ganz an das Koordinatensystem Endes gehalten und dessen Buch nicht zu einem bombastischen CGI-Abenteuer aufgeblasen, sondern den schlichten Humanismus und die eigentümlichen Ideen Endes umsichtig bewahrt. „Jim Knopf“ ist ein Film, der zwar in eine Welt von Fabelwesen führt, sich dabei aber immer an unseren eingefahrenen Denkmustern zu reiben scheint. Da gibt es den Scheinriesen, dessen gigantische Größe Jim und Lukas in der Wüste zuerst Angst machen, doch je näher sie den Riesen herantreten lassen, umso kleiner wird er. Die Angst zu überwinden und Vertrauen zu haben, ist eine der schönen Lektionen dieser Geschichte, und regelmäßig wird das ungleiche Duo dafür belohnt. Eigentlich sind Lukas und Jim von einer winzigen Insel namens Lummerland aufgebrochen, auf der die fünf Einwohner beim König bereits das Gefühl der Überbevölkerung ausgelöst haben. Lummerland liegt in einem fernen Ozean und ist kaum größer als ein Vorgarten. Ein Sinnbild für eine arglose Biederkeit, die es in der Person von Jim herauszufordern gilt. Weil Jim (Solomon Gordon) schwarz, seine Pflegemutter Frau Waas (Annette Frier) aber weiß ist, quält es den Jungen, zu wissen, wo er eigentlich herkommt, wiewohl das niemand der anderen vier Inselbewohner kratzt. Dennoch treibt es Jim mit dem Lokomotivführer Lukas (Henning Baum) in die Welt hinaus, womit sich der Autor Michael Ende auch die Möglichkeit schuf, die Frage der Herkunft am Ende als ziemlich irrelevant zu verbuchen.

Böse Drachen

Die Landschaften in „Jim Knopf“ sind von schlichter Schönheit, wie sie in deutschen Produktionen nicht oft entstehen, und mit jeder Reiseetappe tauchen neue, wundersame Bewohner darin auf. Als Rahmenhandlung dient in „Jim Knopf“ die Suche nach der entführten Königstochter aus Mandala, an dessen Küsten es Jim und Lukas zu Beginn anspült. Die kandierten Regenwürmer und gebackenen Heuschrecken, die man dort zum Frühstück serviert, künden vom Unbekannten, das noch folgen soll. Und während sich ein junges Publikum in diesem Film trotz der Spannung nie fürchten muss, wird man ganz am Ende in der Stadt der Drachen, die entführte Kinder in Ketten legen, unvermutet doch noch dem wahrlich Bösen begegnen. Michael Ende versucht sich in Episoden wie diesen mehrfach als politisch engagierter Erzähler und wäre wohl auch erfreut gewesen, dass in Gansels Verfilmung dieses Pathos explizit erhalten wurde. Während vor kurzem die deutsche Kinderfilmproduktion "Die kleine Hexe" Lebenslust und Schabernack zur fröhlichen Vision erhoben hat, schürft "Jim Knopf", ohne schwergängig zu werden, ein bisschen tiefer in den Fragen, die einen schon als Kind beschäftigen können.