Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Walter Gasperi · 04. Mai 2013 · Film

Heute bin ich blond

Die 21-jährige Sophie genießt das Leben in vollen Zügen, doch dann wird bei ihr eine schwere Krebserkrankung festgestellt. Marc Rothemunds Verfilmung von Sophie van der Staps autobiographischem Bestseller erzählt aber nicht von Siechtum und Sterben, sondern feiert vor dem Hintergrund der Krankheit die Schönheiten des Lebens und das Auskosten des Augenblicks. Inhaltlich bewegt sich die Tragikomödie auf ausgetretenen Bahnen, gefällt aber durch einen unsentimental-frechen Erzählton, Optimismus und eine starke Hauptdarstellerin.

Ausgelassen feiert die 21-jährige Sophie (Lisa Tomaschewsky) mit ihrer Freundin Annabel (Karoline Teska) in Antwerpen Silvester. Viel vor haben sie für das neue Jahr, Böses ahnen lässt aber schon Sophies Husten. - Fast schon eine ganz Geschichte erzählt Marc Rothemund zum Vorspann.

Lebenslust trotz schwerer Krankheit

Auch in ihrer Heimatstadt Hamburg genießt Sophie zunächst noch das Leben in vollen Zügen, sucht dann aber doch wegen ihres Hustens einen Arzt auf. An die Stelle der beschwingten Musik des Beginns treten düsterere Töne, wenn die junge Frau nach mehreren Untersuchungen die erschütternde Diagnose erhält: ein seltener und äußerst aggressiver, inoperabler Tumor. Es folgt eine mehrwöchige Chemotherapie, dann eine Strahlentherapie...
Ein tränendrückendes Melodram hätte diese Geschichte leicht werden können, doch Sophie lässt sich nach erster Verzweiflung vom Krebs nicht unterkriegen, kämpft unterstützt von Eltern und Freunden gegen die Krankheit und versucht jeden Augenblick ihres Lebens möglichst intensiv zu genießen.
Schockiert nimmt sie – und mit ihr der Zuschauer - wahr, wie ihr die Haare ausfallen. Doch auf den ersten Schock nimmt die junge Frau die Sache selbst in die Hand, rasiert sich kahl und kauft sich schicke Perücken. So kann sie die Identitäten wechseln, unterschiedliche Rollen an den Wochenenden spielen, an denen sie die Klinik verlassen darf, und lernt als blonde Daisy, als schwarzhaarige Lydia oder als brünette Zoe auch unterschiedliche Seiten von sich selbst erst richtig kennen...

Frech und optimistisch statt rührselig

Weichgespült zeigt Rothemund die Krankheit im Vergleich zu Andreas Dresens schonungslosem „Halt auf freier Strecke“, beschränkt die Folgen der Chemotherapie fast ganz auf den Haarausfall, zeigt nichts von Übelkeit und schwerer Erschöpfung, macht aber im Schicksal von Sophies Krankenhausfreundin Chantal doch auch klar, dass nicht jeder die Krankheit besiegen kann.
Solche Geschichten hat man schon oft in Kino und Fernsehen gesehen. Nicht viel Neues bietet „Heute bin ich blond“ auf der inhaltlichen Ebene, schlägt aber doch einen ungewohnten Erzählton an. Ganz unsentimental ist das inszeniert, verfällt nicht in Rührseligkeit, sondern zeigt frech wie die Protagonistin der Krankheit den Mittelfinger, vermittelt in ausgelassenen Szenen und mit viel Musik ihren Lebenshunger, aber auch ihre Angst vor den Untersuchungen und das Bedrohliche der medizinischen Apparaturen.
Das „Carpe diem“, das Rothemund dem Zuschauer zuruft, wirkt nie aufgesetzt, sondern ansteckend ist diese Tragikomödie in ihrem Optimismus und ihrer Lebensfreude.

Nuancenreich und einfühlsam gespielt

Herz und Kraftzentrum des Films ist dabei die wunderbar natürlich spielende Lisa Tomaschewsky, die bewegend die unterschiedlichen Stimmungslagen Sophies vermittelt. Sie hält den Film auch zusammen, als die Erzählung im letzten Viertel ausfranst, weil Rothemund sich nicht mehr auf den Kampf gegen die Krankheit konzentriert, sondern daneben auch von Sophies Erfolg als Blogautorin, vom Schicksal Chantals und eine bittersüße Beziehungsgeschichte erzählen will.
Ganz zu sich findet "Heute bin ich blond" aber wieder mit dem Ende, wenn mit einer weiteren Silvesterfeier der Bogen zum Anfang geschlagen wird und wieder hoffnungsvoll in eine Zukunft geblickt wird, um deren Unsicherheit man nun freilich weiß.