Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Walter Gasperi · 13. Jul 2012 · Film

Fast verheiratet

Am Beginn steht fast das Happy-End, mit dem romantische Komödien in der Regel enden. Doch dann buchstabiert Nicholas Stoller die Liebesgeschichte schrittweise zurück. Mit sicherem Gespür inszeniert und auf das bestens aufeinander eingespielte Duo Jason Segel und Emily Blunt vertrauend, entwickelt sich eine charmante Komödie.

Für derben Humor ist die Komödien-Werkstatt von Judd Apatow bekannt. „Jungfrau (40), männlich, sucht“, „Beim ersten Mal“ oder „Brautalarm“ sind Beispiele dafür. Erfreulich zurückhaltend ist hier für einmal „Fast verheiratet“, auf Fäkalhumor wird ganz verzichtet. Die großen Lacher sind eher dünn gesät, dafür sorgt Nicholas Stollers gefühlvolle und von Liebe zu den Figuren getragene Inszenierung für ein durchgängiges Lächeln auf dem Gesicht der Zuschauer. Das ist freilich auch den Hauptdarstellern Emily Blunt und Jason Segel, der zusammen mit Nicholas Stoller auch das Drehbuch geschrieben hat, zu verdanken, die man als Tom und Violet einfach mögen muss. Er ist der niedlich-duldsame Mann, der seiner Geliebten zuliebe auf viel verzichtet, sie die toughe Frau, die mit Charme ihr Köpfchen durchsetzt.

Karriere oder Ehe

Mit einem Heiratsantrag setzt der Film in San Francisco ein, ein Happy-End scheint vorprogrammiert, als die Verlobung gefeiert wird. Herrlich karikiert Stoller mit Reden der Familienangehörigen, einem Weinkrampf der Schwester und einer ultra-peinlichen Diashow von Toms Freund solche Feiern. Dennoch wird sogleich die Hochzeit geplant, doch da erhält die Psychologin Violet eine Einladung an die Universität von Michigan. Doch wie sagt sie das Tom? – Mit einer Whiskyflasche sitzt sie in der Küche, um sich Mut anzutrinken, bei einem ähnlichen Anlass wird später an die Stelle von Whisky eine Weinflasche treten. – Es sind diese feinen Wiederholungen und Variationen, aus denen diese Komödie einigen Reiz bezieht.
Musste früher die Frau zugunsten der Karriere des Mannes auf die Erfüllung ihrer Lebensträume verzichten, so haben sich die Verhältnisse hier umgedreht: Die Frau verwirklicht sich und macht Karriere, der Mann, der als Sous-Chef in einem Restaurant arbeitet, und demnächst ein Restaurant übernehmen könnte, folgt ihr in die Provinz. – Karriere geht vor, zum Heiraten bleibt immer noch Zeit. Durchaus aktuell ist „Fast verheiratet“ mit dieser Thematik.

Gespür für Übergänge und Gegensätze

Aus zwei Jahren werden bald fünf, die Hochzeit wird mehrfach vorbereitet und wieder verschoben – man hat ja Zeit, heißt es immer wieder, doch dass diese auch verrinnt, zeigt sich darin, dass die Großeltern sukzessive sterben. Gespür beweist Stoller hier bei den Übergängen zwischen Dialog- und Bildebene ebenso wie in der Einführung einer Parallelgeschichte um Violets Schwester (Alison Brie) und Toms Freund Alex (Chris Pratt). Zufällig haben diese sich bei der Verlobung der Protagonisten kennen gelernt, überholen sie dann aber mit Ehe und Zeugung von Nachwuchs.
Auch mit dem Gegensatz von sonnigem San Francisco und ebenso winterlichem wie provinziellem Michigan entwickelt die Komödie einigen Witz,  vor allem aber aus der Wandlung Toms. Während Violet bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit aufblüht, findet Tom nur einen Job in einer Fast-Food-Bude. Wie seine Zukunft aussehen könnte, sieht man am Ehemann einer anderen Wissenschaftlerin: Für Kindererziehung ist er zuständig, Stricken und Jagen sind zu seinen Hobbys geworden. Hinreißend sind die dicken Strickpullover, die dabei vorgeführt werden, bald trägt auch Tom einen solchen, lässt sich einen mächtigen Bart kochen, geht mit der Armbrust auf die Jagd und serviert zum Besuch von Gästen allerei Wildspezialitäten.

Sympathische Sommerkost

Mag diese Komödie mit 125 Minuten auch etwas lang geraten sein, so bietet sie dank sicherer Arbeit mit Gegensätzen, Parallelitäten, Running Gags sowie vieler netter Details und skurriler Nebenfiguren doch durchgängig charmante Unterhaltung. Hinschmelzen kann man, wenn sich Tom und Violet erinnern, wie sich zu Van Morrisons „Sweet Thing“ bei einer Silvesterparty, bei der er sich als Super Bunny und sie als Lady Diana verkleidete, kennen lernten, hinreißend ist ein Dialog, den Violet und ihre Schwester mit den Stimmen von Krümelmonster und der „Sesamstraßen“-Figur Elmo führen, absurd-komisch sind die sozialpsychologischen Versuche von Violet und ihren Kollegen. – Kein großer Film, aber sympathische leichte Sommerkost.