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Gunnar Landsgesell · 05. Nov 2021 · Film

Eternals

Mit der "Nomadland"-Regisseurin Chloe Zhao haben die Superhelden in "Eternals" eine deutlich menschliche Prägung erhalten. Für Marvel-Superhelden ist das ungewöhnlich.

Ist es möglich, als Filmemacher:in, aus dem Arthouse-Bereich kommend, in einer großen Superhelden-Produktion die eigene Handschrift sichtbar zu machen? Was beim jüngsten James-Bond-Abenteuer und dem Regisseur Cary Fukunaga viele verneinen würden, ist in der jüngsten Ausgabe des Marvel-Studio-Franchise „Eternals“ doch gelungen: Die US-chinesische Filmemacherin Chloe Zhao, die für ihr Outsider-Epos „Nomadland“ den Oscar für den besten Film erhielt, dirigiert eine Superhelden-Riege zwischen persönlichen Dramen, ethischen Fragen und der unvermeidlichen Notwendigkeit, die Menschheit vor dem Schlimmsten zu bewahren. Bevor es in „Eternals“ aber 2,5 Stunden zur Sache geht, ertönt zur Ouvertüre Pink Floyds zeitloser Hit „Time“ und auf der Leinwand – statt des Filmtitels – der Schriftzug der Marvel Studios. Dass es über dem Eigentlichen noch etwas Größeres gibt, sollte man danach auch in der Anthologie der Superhelden lernen. Die „Eternals“ sind zehn menschenähnliche Gestalten, die seit Jahrtausenden leben, ohne zu altern, wohl um ihrem Auftrag nachzukommen, die Erdenbewohner vor drachenähnlichen Gestalten, den CGI-generierten Deviants zu schützen. Jack Kirby, Schöpfer vieler Marvel-Helden, hat jeden der Superhelden mit einer anderen Fähigkeit ausgestattet, im Film sind sie mit einem bunten Cast besetzt: Darunter findet sich Gemma Chan als heimliche Führungsfigur Sersi, Richard Madden als mit vernichtenden Röntgenstrahlen ausgestatteter Ikaris, Lia McHugh als im Körper eines Mädchens gefangene Sprite, wie auch Salma Hayek und Angelina Jolie in weiteren Rollen. Auch wenn die Vielzahl an Protagonisten und ihre Motive mitunter unübersichtlich wirken, bewegt man sich doch entlang serieller Erzählmuster wie bei Netflix und Co.

Mehr Raum für Charaktere

Allerdings sammeln sich mit dem großen zeitlichen Bogen von mindestens 5000 Jahren – „Eternals“ beginnt seine Erzählung in Mesopotamien oder vorher – schon eine ganze Menge an Problemen an. Während die Schauplätze über die Jahrhunderte wechseln und die Superhelden die gleichen bleiben, entzweit die Gruppe die Frage, ob man den Menschen nicht doch manchmal mit einem kleinen Zauber helfen soll - was allerdings nicht erlaubt ist. Während sich diese gegenseitig die Schädel einschlagen, egal ob unter einem Aztekentempel oder an einem anderen zivilisatorischen Hotspot, ist auffällig, wie sehr „Eternals“ dramaturgisch von der Thematik bestimmt ist, wie, aber auch ob die Menschheit und mit ihr der Planet zu retten ist. Nicht zufällig verlagert sich das Geschehen auch in den Amazonas-Regenwald. Analogien zur Problematik der Erderwärmung wie auch zu den darüber geführten zwiespältigen Diskussionen sind unverkennbar. So fühlt sich Chloe Zhaos Film durchaus frisch an: Die lange Laufzeit des Films wurde offenbar nicht für zusätzliche CGI- und VFX-Technik-Leistungsschauen oder Martial-Arts-Kampfszenen im Wuxia-Stil genutzt (das alles gibt es ausführlich), sondern, eher ungewöhnlich, für die Verhandlung ethischer und anderer Fragen innerhalb der Gruppe - inklusive Täuschungsmanöver und Intrigen. Bei allen Superkräften wirken Sersi und ihre Mitstreiter fast wie die eigentlichen Erdbewohner mit allen Schwächen und Fehlern, womit man beim Profil der Eternals-Figuren wohl einen Schritt weitergegangen ist. Auch das könnte auf Zhao zurückgehen, sie selbst hat sich in Interviews als Buddhistin einer Schwarz-Weiß-Zeichnung verweigert und möchte die Dinge lieber offener diskutieren. Vielleicht ist das Superhelden-Format nicht das ideale Medium für solche Ansprüche, interessant ist es allemal.