Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Walter Gasperi · 15. Okt 2011 · Film

Dreiviertelmond

Wie ein Film verläuft, in dem sich ein grantiger alter Nürnberger Taxifahrer plötzlich um ein türkisches Mädchen kümmern muss, ist vorhersehbar. Dennoch hält Christian Zübert einige Überraschungen bereit. Filmisch kommt „Dreiviertelmond“ allerdings über einen soliden Fernsehfilm nie hinaus, aber Elmar Wepper und der sechsjährigen Mercan Türkoglu zuzusehen bereitet dennoch Vergnügen.

Alles andere als rund läuft es im Leben des rund 60-jährigen Taxifahrers Hartmut Mackowiak (Elmar Wepper). Materiell will er seiner Frau (Katja Rupé) zwar alles bieten, doch reden kann man mit dem nur ans Geschäft denkenden und über alles und jeden nörgelnden Mann nicht. So kann man es seiner Christa kaum verübeln, dass sie ihn trotz neuer Küche nach 35 Ehejahren verlassen hat.

Weder Nazi noch "Netter Onkel"

Missmutig wartet Hartmut am Flughafen auf Kundschaft, weist gleich mal die kleine Hayat (Mercan Türkoglu) und ihre Mutter (Ivan Anderson) bezüglich der Verstauung des Gepäcks zurecht. Über die Umwelt und einen afrikanischen Kollegen schimpfend geht es Richtung Stadtzentrum. Dass die Mutter den Taxler folglich der kleinen Tochter gegenüber halblaut als Nazi bezeichnet, kann man verstehen. Hartmut bekommt das allerdings mit, worauf die Türkin erklärt, dass "Nazi" auf türkisch "Netter Onkel" bedeute. Hayat wird Hartmut folglich noch mehrmals Nazi nennen. Unrecht tut sie ihm damit zwar, aber ein "Netter Onkel" ist er nun auch nicht, sondern eben ein Grantler wie aus dem Bilderbuch. Wirklich unsympathisch ist er einem aber kaum, sondern tut einem in seiner Verbohrtheit vielmehr leid.
Nach der Fahrt zur Wohnung der Mutter trennen sich zumindest vorerst die Wege von Taxler und Mädchen. Da Hayats Mutter auf einem Kreuzfahrtschiff arbeitet, bleibt das etwa sechsjährige Mädchen bei der Oma, die aber bald einen Herzinfarkt erleidet und ins Krankenhaus eingeliefert wird. Hayat begleitet sie zwar im Notarztwagen, doch im Spital kümmert sich dann – solche Unwahrscheinlichkeiten muss man eben akzeptieren - niemand mehr um das Mädchen.

Sprechende Namen

Vor dem Krankenhaus begegnet Hayat zufällig – auch das nicht gerade wahrscheinlich - Hartmut wieder und  will nun nicht mehr von seiner Seite weichen. – Die Namen der Hauptfiguren in diesem Film Programm: Hartmut ist ein Grantler und Spießer, Hayat (Leben) steht für Lebensfreude und Offenheit. Doch unter dem Einfluss des Mädchens wandelt sich der alte Taxler und zeigt bald mehr Gefühle gegenüber dem fremden Kind als gegenüber seiner Frau und seiner erwachsenen Tochter. Doch nicht nur für Hayat öffnet sich Hartmut, sondern auch für die türkische Kultur und die Welt insgesamt. Lehnt er zunächst scharfes Essen im türkischen Imbiss ab, so fordert er es später und zeigt er am Beginn kein Interesse an den Reisevorschlägen, die ihm seine Tochter unterbreitet, so schaut das am Ende ganz anders aus.

Fernsehfilm mit starken Darstellern

Ein Parallelfilm zu Doris Dörries „Kirschblüten – Hanami“, in dem ebenfalls Elmar Wepper einen versteinerten Mann spielt, der im Alter das Leben neu entdeckt und nach dem Tod seiner Frau sogar nach Japan aufbricht, ist „Dreiviertelmond“ in vielem, kommt aber an dieses Vorbild nicht heran.
Zu bieder und ohne Esprit ist das inszeniert, kommt nie über das Niveau eines soliden Fernsehfilms hinaus. Filmsprachlich bietet „Dreiviertelmond“ nichts Aufregendes, sodass die Darsteller diesen Film am Laufen halten müssen. Mehr hätte man zwar wohl aus dem Aufeinandertreffen des alten Grantlers und des einsamen Kindes herausholen können, hätte stärker ihre Befindlichkeit ausloten können oder müssen, aber zuzusehen, wie sich Elmar Wepper und Mercan Türkoglu ohne miteinander sprechen zu können näher kommen, hat doch einigen Charme. Eine schöne Balance von Gefühl und Humor findet Christian Zübert hier, spart auch nicht mit Situationskomik und gibt „Dreiviertelmond“ nach etwa zwei Dritteln doch noch eine so nicht zu erwartende Wende.

Befreiung - aber nicht alles wird gut

Keine gerade Entwicklung wird hier nämlich beschrieben, denn Hartmut darf dann nochmals seine eklige Seite zeigen und muss – schwermütig wird da „Dreiviertelmond“ - ganz tief fallen, bis er sich doch von allem Ballast befreit. Nicht alles wird hier erfreulicherweise gut, manches kann nicht mehr gekittet werden, aber für den Grantler gibt es in dieser warmherzigen Tragikomödie, der aber leider jedes Kinoformat fehlt, doch einen Neubeginn.