Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Thorsten Bayer · 15. Okt 2011 · Kleinkunst, Kabarett

Schöne Grüße aus dem Rucola-Bezirk: „Hader spielt Hader“ in der Inselhalle Lindau

Eine unterhaltsame Best-Of-Zusammenstellung seiner letzten fünf Kabarettprogramme zeigt Josef Hader in „Hader spielt Hader“. Den gewohnt bissigen Wortwitz, Ironie, schräge Geschichten, Kirchenkritik und Songs am Klavier brachte der 49 Jahre alte Künstler auch mit nach Lindau. Nach einem starken ersten Teil ließ die Spannung aber deutlich nach: Das Konzept der Show stieß spürbar an seine Grenzen.

Mit Themenabenden ist das ja so eine Sache. Da will der Künstler seinem Publikum, das er im „angejahrten Mittelstand“ verortet, eine schöne Show rund um das Thema Humanismus bieten – und keiner macht mit. „Haben Sie was vorbereitet?“, fragt Josef Hader, als der Vorhang sich hebt. Keine Antwort von den Zuschauern, also schlägt der Kabarettist vor: „Ich beginne mit einem Impulsreferat zum Humanismus, dann steigen wir in die Diskussion ein.“ Dieser Beitrag führt folgerichtig ins antike Griechenland. Doch natürlich bleibt dieser klassische Schauplatz der einzige Aspekt einer traditionell-bildungsbürgerlichen Herangehensweise an so ein Thema.

Katholische Kirche und FPÖ im Zentrum der Kritik

Statt einer philosophischen Begriffsklärung interessiert Hader vielmehr die favorisierte Beschäftigung der alten Griechen an einem Sonntagvormittag. „Ouzo saufen“ schallt da ein erster Beitrag aus dem ausverkauften Saal der Inselhalle. „Nicht schlecht“, urteilt Hader gedankenschnell, „das liegt auf Platz vier der Top Ten. Auf Platz eins aber unangefochten: die Knabenliebe.“ Und schon ist der Bogen zur katholischen Kirche gespannt, die er im weiteren Verlauf des Abends noch mehrfach mit spitzer Zunge – bei gleichzeitig  unschuldigem Blick – aufs Korn nehmen wird. Auch die FPÖ und Bundesparteiobmann Heinz Christian Strache kriegen ihr Fett weg, was nach dem Interview im Vorfeld des Auftritts (http://kulturzeitschrift.at/kritiken/kleinkunst-kabarett/interview-mit-josef-hader-201eder-naechste-bundeskanzler-koennte-strache-heissen201c) zu erwarten war. Damit auch das deutsche Publikum weiß, wovon die Rede ist, bietet Hader folgende Charakterisierung an: „Die FPÖ ist die Partei, in der Horst Seehofer eine Stimme der Vernunft wäre.“

Böse Dinge in weicher Sprache

Am leidenschaftlichsten wettert Hader aber gegen die selbsternannten Humanisten, die Trendsurfer auf der Öko-Welle, wie sie unter anderem in der Kreativszene zu finden seien. Ihrer Leibspeise „Zanderfilet auf Rucola“ folgend, lässt Hader sie „bei uns im Rucola-Bezirk“ wohnen. „Humanismus, das bedeutet hier: Beruflich über Leichen gehen, aber mit Bioresonanz.“ Hader spart nicht mit Sarkasmus und Zynismus, der ihm manchen „Ho-ho-ho“-Lacher sichert. Auf die Frage, ob er in Deutschland anders spiele als in seinem Heimatland, hat er in einem Interview mit Zeit Online 2009 gesagt: „Ich bemüh mich aber, den österreichischen Tonfall beizubehalten. Schließlich ist die weiche Sprache wichtig, wenn man böse Dinge erzählt. Die Leute halten sie dadurch besser aus“.

Gelungene musikalische Einlagen

Fließend sind Haders Übergänge von einem Monolog in den nächsten und – bemerkenswerter noch – von gesprochenem zu gesungenem Text. Seinen Fähigkeiten am Klavier, einem Fender Rhodes-Piano, steht Hader zwar äußerst kritisch gegenüber: „Das muss ein Fall von Selbstüberschätzung sein: So schlechtes Klavierspielen bei so hohem Eintritt“, konstatiert er kopfschüttelnd. Doch die musikalischen Einlagen sind eine sehr gelungene Abwechslung und ein gutes Bindeglied zwischen den teilweise sehr unterschiedlichen Teilen der Show, die sich ja aus fünf verschiedenen Programmen zusammensetzt.

Schwer zu greifender Künstler

Dieses Konzept, das eben auf ursprünglich unverbundenen Einzelteilen fußt, stößt nach der Pause an seine Grenzen. Zu zerfahren wirkt immer mehr das Programm, zu sehr franst es aus. Einige gelungenen Pointen und der süßlich-hinterhältige Song „In der Nachbarschaft“ zum Abschluss können die zweite Hälfte nicht ganz retten, in der Hader bei einigen Längen die Geduld der Zuschauer überstrapaziert. Es fällt sehr schwer, den Künstler einzuschätzen, er bleibt – und das hat sicherlich Methode – nicht zu greifen. Wo fängt seine Rolle an, wo endet sie? Oder wie es der Berliner „Tagesspiegel“ in einer Rezension von „Hader spielt Hader“ formulierte: „Was nun der wirkliche Hader hinter dem Hader ist, der den Hader spielt, das lässt sich nur erahnen.“