Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Gunnar Landsgesell · 16. Aug 2018 · Film

Don't Worry, Weglaufen geht nicht

Joaquin Phoenix als bissiger Cartoonist im Rollstuhl, der mit dem Alkohol und seinen inneren Dämonen ringt, umschwärmt von Rooney Mara und Jonah Hill. Independent-Ikone Gus Van Sant meldet sich mit einem expressiven Porträt zwischen Humor und Misanthropie zurück.

Ein Cartoon des Karikaturisten John Callahan geht so: Ein Bettler mit zwei Sicheln statt Händen hat ein Schild vor sich aufgestellt: “Ich würde davon absehen, Ihnen die Hände zu schütteln. 5 Dollar.” Mit „Don’t Worry“ hat Gus Van Sant die Memoiren des 2010 verstorbenen Zeichners aus Portland, Oregon, wo auch Van Sant lebt, verfilmt. Joaquin Phoenix schlüpft in die Haut jenes Mannes, der nach einer durchzechten Nacht im Krankenhaus aufwachte und querschnittgelähmt war. Er sucht eine neue Rolle in seinem Leben und findet sie als scharfsichtiger Beobachter seiner Umgebung, illustriert fortan das Leben mit krakeligen Linien in sarkastischen, humorvollen Cartoons. „Don’t Worry“ ist eine weitere Außenseitergeschichte von Gus Van Sant, wie er sie am liebsten erzählt. Joaquin Phoenix gleicht trotz der Immobilität seiner Figur einem Drifter, der nun mit seinem motorisierten Rollstuhl waghalsig über Gehsteige fährt und Unfälle geradezu herausfordert. Dieser John Callahan ist aber auch ein Träumer, ein Wehklagender, der über sein Leben schwadroniert, von einer inneren Unruhe getrieben, die er mit anderen Figuren im Kosmos Van Sants Filmen teilt. Man hätte bei diesem Stoff viel falsch machen können, einem vom Leben gebeutelten Mann im Rollstuhl ein rührseliges Denkmal setzen können. „Don’t Worry“ setzt aber offenkundig auf die schrillen Aspekte in John Callahans Leben, und wählt dafür spezielle Schauplätze aus, an denen die Handlung dramaturgisch verdichtet wird.

Biopic mit eigener Handschrift 

Mit Joaquin Phoenix ist für Exzentrik gesorgt. Zwar mögen das geschmacklose Hawaii-Hemd, seine orangegefärbten Haare und die Rapist-Brille recht aufgesetzt wirken. Für Phoenix scheint es das Biotop, in dem er sich am wohlsten fühlt: immer etwas over-the-top. So streift er durch die Straßen, vertreibt sich an der Seite seines ebenfalls ständig benebelten Freundes Dexter (Jack Black) die Zeit, und verliebt sich in seine Pflegerin Annu (Rooney Mara). Dabei wird die Zügelung der eigenen Dämonen, zumindest was den Alkohol betrifft, zu einem der Leitthemen dieses Lebens. Callahan erinnert sich, schon als Kind zur Flasche gegriffen zu haben, schon lange unglücklich gewesen zu sein. Nun landet er in einer Therapiegruppe, die selbst nicht frei von exzentrischen Figuren ist. Man trifft hier auf Sonic-Youth-Mitbegründerin Kim Gordon oder die deutsche Queer-Legende Udo Kier. Van Sant versteht es, sie für den eigentümlichen Gesprächsrahmen produktiv zu machen. Mittendrin auch ein kaum wiederzuerkennender Jonah Hill, sonst fixes Ensemblemitglied vieler gross-out-Komödien der vergangenen Jahre. Hill, das Gesicht zugewachsen, das Kopfhaar von bedeutender Länge, ist eine Art Hippie aus besserem Hause, der sich nun des verkorksten Lebens John Callahans annimmt. In diesem Verhältnis findet „Don’t Worry“ vielleicht seine stärksten Momente, und erinnert an pronouncierte Paare früherer Beziehungen in Van Sants Filmen wie etwa River Phoenix und Keanu Reeves in „My Own Private Idaho“ oder Casey Affleck und Matt Damon in „Gerry“. Zwar gelingt es Van Sant nicht, die luzide Qualität dieser Filme oder auch von „Elephant“ zu erzeugen. Dafür wirkt „Don’t Worry“ etwas zu disparat in seinem Bemühen, unterschiedliche Gefühlslagen zusammenzuführen. Doch nach dem Biopic „Milk“, durch das Sean Penn mit gleicher Verve führte wie Joaquin Phoenix in „Don’t Worry“, lässt sich auch hier Gus Van Sants Vermögen erkennen, das Randständige, Schräge in Biographien einzuschreiben.