Anna Hints‘ preisgekrönter Dokumentarfilm „Smoke Sauna Sisterhood“ ist derzeit in den Vorarlberger Kinos zu sehen.
Gunnar Landsgesell · 08. Feb 2019 · Film

Die Frau des Nobelpreisträgers

Als der Ehemann von Joan (Glenn Close) für den Literaturnobelpreis gewählt wird, währt die gemeinsame Freude nur kurz. Schatten der Vergangenheit fressen sich durch ein bis dahin gut eingespieltes Eheleben, das auf Selbstgerechtigkeit und Selbstbetrug basierte. Ein dichtes Drama, in dem Glenn Close souverän agiert und dafür möglicherweise einen Oscar erhält.

Vor hundert Jahren mag es eine Anerkennung gewesen sein, wenn ein Künstler seine Frau als „Muse“ bezeichnete und ihr für die Unterstützung dankte. Wenn aber Joe (Jonathan Pryce) den Literaturnobelpreis in Stockholm entgegennimmt und seine Frau Joan (Glenn Close), die im Publikum sitzt, mit diesen Worten ehrt, ist es so ziemlich das Schlimmste, was er tun kann. Die Ehe des amerikanischen Ehepaares, das zur Preisverleihung nach Stockholm angereist ist, ist spätestens im Hotelzimmer zum Zerreißen angespannt. Dabei hat alles so gut begonnen: Der Anruf der Nobel Stiftung überraschte das ältere Paar im Bett, und Joan scheint die Freude ihres Mannes ehrlich zu teilen. Doch Schicht für Schicht trägt der schwedische Regisseur Björn Runge die dicke Patina dieses langen Ehelebens ab und legt abgenutzte Oberflächen und Risse frei. Zwischen männlicher Selbstgerechtigkeit und weiblicher Selbstdisziplinierung, die unmerklich zur Wut anschwillt, führt „The Wife“ (Originaltitel) ein kompliziertes System aus faulen Kompromissen und Lebenslügen vor Augen, das seinen Ursprung in der Liebe haben mag, aber ganz fundamental die Rollenverteilung der Geschlechter in unserer Gesellschaft aufzeigt. Während Joe immer nervöser wird und Joan stoisch ihr Leben in kurzen Rückblenden rekapituliert, bricht die überkommene Ordnung wie ein Kartenhaus zusammen.

Schmerzliche Muster

Man kann in dieser filmischen Adaption immerhin erahnen, wie komplex der Roman von Meg Wolitzer angelegt sein muss. Björn Runge konzentriert sich auf einige Momente während weniger Tage, in denen sich eine Krise exemplarisch verdichtet. Der alte Joe, der bei erster Gelegenheit der jungen Fotografin in Stockholm nachsteigt, seine Eitelkeiten auslebt, während er sich von Joan bedienen lässt, wirkt dabei zunehmend derangiert. Und das hat nicht nur mit seinem Alter zu tun. Für seinen Sohn, der ihm als Autor nacheifert, reicht es kaum für anerkennende Worte. Ein abgewiesener Biograph (Christian Slater) versucht hartnäckig, die Gerüchte über die Arbeit des Schriftstellers zu ergründen, und wohin Joe seinen Kopf auch steckt, plötzlich will nichts mehr der Ordnung folgen, die ihm jahrzehntelang ein gemütliches Leben beschert hatte. Mit Glenn Close hat Runge eine Idealbesetzung gefunden. Sie schlüpft äußerst glaubhaft in die Rolle einer gealterten, aufopfernden Ehepartnerin, interagiert mit souveräner Gelassenheit mit der Kamera und lässt die innere Anspannung ihrer Figur auf wundersame Weise erahnen. Jonathan Pryce als grummeliger, dauergekränkter Autor wirkt neben Close fast schon ein wenig theatralisch. Die Entscheidung Runges, das Geschehen auf wenige Tage zu reduzieren lässt ein dichtes Drama entstehen. Die kleinen Peinlichkeiten, Fehltritte, Eitelkeiten, Imponiergehabe und falsche Bescheidenheit, das Auftreten der Elitefamilien beim Empfang der Preisträger in Stockholm, all das ist schön gezeichnet und erinnert ein wenig an Bourdieus gesellschaftliche Beschreibungen. Weniger Raum erhält die langsame Entfremdung von Joan zu Joe, für die die wenigen Schlaglichter aus der Vergangenheit kaum schlüssige Hinweise liefern. Das fehlt aber kaum, so bekannt und unheimlich treffend kommen einem die Muster (Geschlechterrollen) dieses Ehepaares vor. Zumindest in "Die Frau des Nobelpreisträgers" finden sie eine dramatische Wendung.