"Die Sterne" im Spielboden Dornbirn: Frontmann Frank Spilker und Philipp Janzen an den Drums (Foto: Stefan Hauer)
Gunnar Landsgesell · 02. Mär 2012 · Film

Die Eiserne Lady

Der spannende Ansatz, das Leben Margaret Thatchers durch deren eigene, von Demenz und Altersstarrsinn getrübten Augen Revue passieren zu lassen, brachte ein zwiespältiges Ergebnis. Zeitgeschichte und Politik werden zugunsten von Selbstlegitimation und lückenhafter Erinnerung verwässert. Immerhin: Meryl Streep vermag in diesem ganz auf die erste Premierministerin Westeuropas zugeschnittenen Biopic die Rolle der Eisernen Lady mit Plastikrunzeln und Falten beeindruckend auszufüllen.

Am Ende wird Margaret Thatcher über rote Rosenblüten aus dem Amt der Premierministerin schreiten. Ein letztes Mal offerieren sich hier dem Publikum zwei Lesarten: Entweder tritt die abgedankte Politikerin in das Blut ihrer Opfer, das sich in dicken Tropfen über den weißen Steinboden verteilt. Oder es handelt sich um das ultimative Ikon einer Ehrerbietung: das Rot der Liebe auf dem Weiß der Unschuld. Eine Reinwaschung also. Auch wenn die zweite Sichtweise geradezu unwahrscheinlich klingt, darf sich die reale, hochbetagte Thatcher auch heute noch teils kultischer Verehrung erfreuen. Vielleicht liegt darin auch die interessante Entscheidung des Duos Abi Morgan (Drehbuch) und Phyllida Lloyd (Regie) begründet, einen Erzählmodus zu wählen, der zu allem, nur zu keiner „Abrechnung“ mit der Eisernen Lady taugt. Der Film nimmt von einer von Demenz geplagten alten Frau seinen Ausgang und rollt das zeithistorische Geschehen über Erinnerungsbilder auf, die, von Lücken und Legitimationsdruck geprägt sind. Dass sich Thatchers zutiefst subjektive Perspektive zu Ungunsten einer historischen Perspektive verengen, liegt auf der Hand und vermag einigermaßen zu irritieren. Hier spielt jemand Anklägerin und Zeugin in eigener Sache, während weit und breit niemand in diesem Drehbuch zu sehen ist, der dazu ein paar kritische Worte anbringen würde. Während die Tochter Carol von der Haltung ihrer Mutter selbst gezeichnet scheint, taucht Margarets verstorbener Ehemann Denis zwar als imaginierter Gesprächspartner auf, darf aber einer Rolle als kritischer Schatten der Vergangenheit nicht gerecht werden. Zwischen seinen Scherzen fehlt dem Gatten selbst als Phantom noch die Autorität, dieser Frau zur Einsicht zu verhelfen.

Kursorische Haltung

Ungeachtet dieser dramaturgischen Schräglage tut Meryl Streep als Margaret Thatcher, was sie kann. Und das ist viel. Von den Maskenbildnern in eine Larve aus alter Haut, schweren Beinen und dem obligaten Helm als Frisur eingearbeitet, mimt sie die, wie man hört, am Film desinteressierte 86-jährige Lady Thatcher mit einer Mischung aus Augenzwinkern aber auch jener Unnachgiebigkeit und sozialen Distinktion, die dieser Frau ihren Ruf eingebracht hat. So wankt Streep durch ihre Wohnung, an deren Alltagsgegenständen sich immer neue Erinnerungsschleifen öffnen, die in immer neuen Freisprüchen enden. Das überraschend hohe Maß an Privatheit, mit dem dieser Film seine politische Agenda erfolgreich verwässert, füllt Streep beeindruckend aus. Dass das Richtmaß jedes Konflikts aber letztlich zum Kampf einer ehrgeizigen Greißler-Tochter wird, die ihre Umwelt ausschließlich aus dem Blickwinkel von Standesdünkel und Häme wahrnimmt, erscheint für eine Premierministerin Großbritanniens aber doch etwas seltsam. So bleibt den großen zeithistorischen Konflikten dieser Zeit und Thatchers Programmatik, die Gesellschaft in brauchbare Arbeitseinheiten zu zerschlagen, die Form des Schlaglichts über: Da blitzt der Streik der Bergarbeiter von 1984/85 auf, deren Aushungern im wahrsten Wortsinn („Sie sollen hungern, bis sie wieder arbeiten gehen.“ Thatcher) auch die Gewerkschaften des Landes für die Zukunft schwächte; oder die ebenso kompromiss- wie perspektivlose Haltung gegenüber den „Terroristen der IRA“; oder auch der kalkuliert begonnene Falklandkrieg. Warum die geradezu inhumane Haltung, die Streep im Film selbst an ihrem eigenen Kabinett ausagiert, nicht nur zu Feindschaft sondern auch zu solcher Popularität geführt hat, bleibt durch die kursorische Haltung des Films ebenso unbeantwortet wie die Folgen der Politik, die der Gleichschritt des Thatcherismus mit der (ebenfalls ausgesparten) Reaganomics gebracht haben. Vielleicht kann man es als Ironie der Autorinnen ansehen, dass sich im Fall von Thatcher selbst Geschichte nicht objektiviert, sondern nur privatisiert darstellt. Denn frei von Ironie ist dieser Film trotz aller Schaumgebremstheit nicht. Am Ende muss die Eiserne Lady, die zu Beginn ihrer Karriere ihrem Mann erklärte, dass sie nicht vorhat, beim Abwaschen von Tassen zu sterben, genau nach dieser Tätigkeit den Film verlassen.