„Kaffee und Zucker?“ Dokumentartheater im TAK in Liechtenstein © Pablo Hassmann
Gunnar Landsgesell · 08. Mär 2019 · Film

Die Berufung – Ihr Kampf für Gerechtigkeit

Ruth Bader Ginsburg hat als eine der ersten Frauen in Harvard Jus studiert. Heute ist die 85-Jährige am US-Supreme Court tätig. Dass einer noch amtierenden Höchstrichterin ein Hollywoodfilm gewidmet ist, ist ungewöhnlich genug. So wie das Leben von RBG. Geradlinig und kurzweilig inszeniert, ein konventioneller Einblick in die Historie und ein Film, auf den sich wohl alle einigen können.

Eine Frau, die zu überraschen wusste. Was es bedeutete, gegen alle Widerstände ein Jus-Studium in Harvard zu absolvieren und später ihren Weg als Juristin zu gehen, ist aus heutiger Sicht kaum vorstellbar. Prima, dass dieser Film das in einigen Schlaglichtern rekapituliert. Besonders kontroversiell sollte man das Porträt der heute 85-jährigen Höchstrichterin allerdings nicht erwarten. Das liegt vielleicht auch daran, dass das Drehbuch von Ginsburgs Neffen Daniel Stiepleman stammt. Er zeichnet eine Frau von besonderem Intellekt und ebensolcher Willenskraft. Regisseurin Mimi Leder schließt sich dieser berechtigten Sicht an. Die Widerstände in dieser Dramaturgie scheinen vor allem dafür aufgebaut, um sie von ihrer Protagonistin überwinden zu lassen. Früher oder auch später. Eine derart zielgerichtete Inszenierung hat durchaus Vorteile, wirkt kohärent und kurzweilig. Wie auf Schienen fährt man durch das Leben der Ruth Bader Ginsburg, mit der stillen Gewissheit, dass trotz der Hürden am Ende der Triumph steht. Das Porträt einer Frau, die zu überraschen wusste, ist das allerdings eher nicht.   

Mut für neue Wege fehlt

Tatsächlich rekapituliert „On the Basis of Sex“ (so der treffliche Originaltitel) die Geschichte von RBG als Kette einschneidender Momente aus einer ganz persönlichen Sicht: Als junge Studentin gehört sie in den Fünfziger Jahren zur ersten Generation von Frauen, denen es erlaubt wurde, in Harvard zu studieren. Beim Dekan, der das durchgesetzt hat, zum Abendessen eingeladen, müssen sich die Studentinnen rechtfertigen, warum sie einem männlichen Kollegen einen Studienplatz wegnehmen. Baders Antwort zeugt von Schlagfertigkeit: Ihr Ehemann studiere hier ebenfalls Jus, also wolle sie mehr darüber erfahren, um ihn bestmöglich als Ehefrau zu unterstützen. Einige Jahre später wird Bader ihr Studium als Jahrgangsbeste abschließen und dennoch keine Kanzlei finden, die bereit ist, eine Frau als Anwältin anzustellen. Der Witz, den RBG offensichtlich besitzt, blitzt hie und da auf, geht aber zunehmend in einer kämpferischen Haltung unter. Sämtliche Orte, an denen der Film spielt, werden zu dramatischen Schauplätzen der Zensur, der Zurücksetzung und des Zähneknirschens umfunktioniert. Egal ob Hörsäle, Redaktionen, Gewerkschaftsräume oder selbst Uni-Campus, wo einem zu Beginn des Films eine Mauer männlicher Anzugträger entgegenkommt (und zwischendrin RBG). Das Eigenleben dieser Frau geht einem dabei ein wenig verloren, zu sehr ist sie Bannerträgerin einer Haltung gegen die patriarchale Opulenz dieser Zeit. Der Mut, neue Wege zu gehen, fehlt. Dabei hätte man mit Felicity Jones eine Darstellerin, die die Mischung aus Intellekt, Hartnäckigkeit und hintersinnigem Witz durchaus verkörpern könnte. Mit ihrem energischen Gang und der leisen Unsicherheit dahinter versteht Jones es, eine Epoche spürbar zu machen, in der Frauen in der Ivy League „bereits“ zu Juristinnen ausgebildet werden durften, zugleich aber auf Partys immer noch als „kluge Mädchen“ bezeichnet wurden. Erst spät findet "On the Basis of Sex" zu seinem finalen Ort der Bestimmung. Als RBG schließlich als Anwältin einen Fall aufgreift, in dem ein Mann seine Mutter pflegt und dabei vor dem Gesetz diskriminiert wird, weil dieses keine männlichen Pflegekräfte vorsieht, geht es ans Eingemachte. Bader hatte mit ihrer Unterscheidung zwischen sexueller und Genderrolle wesentlichen Anteil an einer Neubewertung in Sachen Gleichstellung. Ein meisterlicher Schachzug. Der männlichen Skepsis selbst ihrer Verbündeten folgt ein historischer Sieg. Die Gerichtsszenen, die das dokumentieren könnten, wirken allerdings etwas unterbelichtet. Eigentlich schade, dass der Film in diesen Momenten nicht über konventionelle Mikrodramaturgien hinausreicht. Schöner hingegen die Idee der Generationen: Ruth Bader Ginsburg wirkt lange wie eine Frau, die in der falschen Zeit gefangen ist. Einfach zu früh dran. Als ihre Tochter in die Pubertät kommt, wird RBG jedoch selbst von der Zeit eingeholt. Jetzt sei es die "Bewegung", die etwas verändere, erklärt ihr ihre Tochter, die in den Siebziger Jahren einer neuen Generation angehört, die in den Straßen demonstriert. Nun sind es nicht mehr die juristischen Expertinnen, auf die man wartet, man verändert die Realität selbst. Dann findet auch der Film zu einer Vitalität zurück.