Das Nederlands Dans Theater 2 beim Bregenzer Frühling (Foto: Udo MIttelberger)
Gunnar Landsgesell · 29. Jul 2022 · Film

Der perfekte Chef

Javier Bardem als der gute Chef, der seine Fabriksarbeiter als Kinder und sich selbst als Vater stilisiert - bis die schöne alte Ordnung und mit ihr die patriarchale Macht Stück für Stück in Brüche geht. Eine hintersinnige Komödie.

Spanien ist derzeit in den heimischen Kinos als interessante Filmnation zu erleben. Nach der zackigen Satire über das Ego der Schauspielzunft in "Der beste Film aller Zeiten" mit Penelope Cruz und der widerwilligen Annäherung einer Managerin an die Noch-Bewohnerin der soeben gekauften Eigentumswohnung folgt nun die Fabrik als dramatisch-grotesker Schauplatz. Javier Bardem (Ehemann von Cruz) ist "El buen patron", also "Der gute Chef", der salbungsvoll zu den in der Fabrik versammelten Arbeitern spricht. Sie seien seine "Kinder", ergo müsse er ihr Vater sein. Eine in ihrer Unverfrorenheit köstlich formulierte Einleitung für das, was in diesem Film noch kommen wird. Regisseur Fernando León de Aranoas zieht exemplarisch mehrere Linien zwischen Blanco (Bardem) und seinem Umfeld, um die keineswegs familiären Verhältnisse zwischen dem Unternehmer und seinen Untergebenen sichtbar zu machen. Blanco wird hier ganz im Sinn der Parole "Geht es der Wirtschaft gut, geht's uns allen gut"  als Wohltäter positioniert: Der Chef als Krisenmanager, dem nicht nur die Wirtschaftlichkeit, sondern immer auch das Wohl seiner Mitarbeiter ein Anliegen ist. Mit begehrlichen Blicken umkreist er die Praktikantinnen, mit verständnisvoller Miene versucht er die Eheprobleme eines treuen Mitarbeiters zu lösen, und mit aller gebotenen Härte kündigt er einen Arbeiter. Der campiert fortan vor den Werkstoren und wird zum Stachel im Fleisch des Unternehmers.

El pueblo unido...

Man merkt schon bald, die Zeiten werden auch für gute Chefs wie Blanco ungemütlicher. Wirken die Bilder zu Beginn des Films noch so gut organisiert wie die Arbeitsabläufe des auf Industriewaagen spezialisierten Unternehmens, fressen sich alsbald unschöne Störungen in die wohlfeile Bildregie des Firmenbosses. Der ganze Laden gerät (Achtung: Metaphorik) zunehmend aus der Balance. Blancos helfende Hand bringt ihn selbst zunehmend in die Bredouille. Den gewalttätigen Sohn eines seiner Arbeiter holt er mit der Geste des Wohltäters aus der Haft und verschiebt ihn ins Geschäft seiner Frau - nur um ihr dort die Kundschaft zu vergraulen. Die Intervention bei einer Ehekrise zieht urplötzlich Kreise in sein eigenes Leben und die jüngste Affäre mit einer Praktikantin kommt wie ein Boomerang als Gnackwatsch'n zurück. Es ist ein Zeitenwandel, von dem "El buen patron" eigentlich berichtet. Vom bröckelnden Patriarchat, das noch in der Art des Gutsherren die Dinge regeln will, während sich das Umfeld, insbesondere Frauen, auf die eigenen Beine stellen. Bardem ist der Mann, der die Last dieser Rolle zu schultern vermag. Die Doppelbödigkeit seiner gesäuselten Worte und der Ingrimm über Widerspruch, die billige Anmache und der beinharte Machtanspruch - in Bardems Gesicht zeichnet sich immer auch die andere Seite der Repräsentation ab. Regisseur Arancas entwirft eine Satire auf die Arbeitswelt, in der selbst die Fabrik nicht mehr das ist, was sie einmal war. Der Zerfall ist dabei das wichtigste Nebenprodukt, das in dieser Waagenfabrik hergestellt wird. In einem ziemlich überdrehten Handlungsstrang, der an italienische Komödien der 1970er Jahre erinnert, will ein "freigesetzter" Arbeiter, der in seinem Zelt gegen die Kündigung protestiert, nicht einmal mehr die angebotene Wiedereinstellung akzeptieren. Die Freiheit sei das Ziel, frei von Chefs wie Blanco, "El pueblo unido", skandiert der Mann, als wäre er Teil einer Arbeiterbewegung. Der Chef steigt düpiert in seinen Jaguar ein und fährt schnaubend davon. Ein Bild, das die beissende Ironie und Ambivalenz von "El buen patron" in einem Bild verdichtet. Es ist schließlich eine Komödie über die Befreiung, die die Verhältnisse allerdings nicht zum besseren verändert.