Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Walter Gasperi · 11. Dez 2011 · Film

Der große Crash

In seinem starbesetzten Thriller zeichnet JC Chandor die dramatischen Ereignisse nach, die sich am Tag vor Ausbruch der Finanzkrise im Herbst 2008 in einer fiktiven New Yorker Investmentbank abspielten.

„Margin Call“ – das ist die Aufforderung des Brokers Geld nachzuschießen, um die Zwangsauflösung von Aktien zu verhindern. Was aber tun, wenn die Diskrepanz zwischen Buchwert der Aktien und verfügbarem Kapital eine unvorstellbare Größe erreicht hat?

Fieberhafter Rettungsversuch

Der Ausbruch der Finanzkrise zeichnet sich im Herbst 2008 in einer großen New Yorker Investmentbank ab, als zahlreiche Mitarbeiter von heute auf morgen entlassen werden. Eric Dale (Stanley Tucci) kann dem jungen Analysten Peter Sullivan (Zachary Quinto) aber noch einen Stick mit einer noch nicht ganz abgeschlossenen Berechnung zur Bankentwicklung geben. Sullivan knobelt daran weiter und erkennt das Schreckensszenario.
Mitten in der Nacht werden die führenden Kräfte der Bank vom erfahrenen Börsianer Sam Rogers (Kevin Spacey) über die Risikoanalystin Sarah Robertson (Demi Moore) bis zum Firmenchef John Tuld (Jeremy Irons) zusammengetrommelt, um einen Rettungsplan zu entwickeln, mit dem zumindest für das eigene Unternehmen noch das Schlimmste verhindert werden kann – ein Plan, der aber für die Wall Street und die Welt insgesamt verheerende Folgen haben wird.

Packendes Kammerspiel

Auf einen Tag und die Bank als beinahe einzigen Schauplatz beschränkt sich JC Chandor in seinem Spielfilmdebüt. Alles Private wird ausgeklammert, keine Biographie erhalten die Protagonisten, das Maximum der Gefühle ist es, dass Kevin Spacey um seinen todkranken Hund trauert. Die räumliche und zeitliche Beschränkung verleihen dem Film ebenso wie die Konzentration auf die Arbeitswelt Dichte und Geschlossenheit, andererseits bleibt der Zuschauer auch gerade dadurch auf Distanz zu den Figuren.
Ebenso souverän wie zurückhaltend spielt das hochkarätige Ensemble, nur Jeremy Irons überzieht lustvoll. Und dennoch entwickeln diese Banker letztlich zu wenig individuelles Profil, als dass man mit ihnen wirklich mitfiebern könnte. Sie bleiben Funktionsträger, über deren Agieren der Zuschauer anhand einer konkreten Geschichte Einblick in die Vorgänge am Tag vor dem Bankendesaster erhalten soll.

Kühler Blick auf die Bankenwelt

Zügig, aber nicht hektisch treibt Chandor die Geschichte voran. Um Statistiken und Prognosen geht es hier immer wieder und dennoch wird der Zuschauer nicht mit Fakten erschlagen. Die Handlung entwickelt sich zwar vor allem über die Dialoge, aber gleichzeitig evoziert Chandor in kalten Blau- und Grautönen eindrücklich die Nüchternheit und Kälte dieser Wirtschaftswelt.
Wenn dann Sullivan und seine Kollegen von der Spitze des Bankgebäudes in die Tiefe der New Yorker Straßenschluchten blicken, bekommt man eine Ahnung davon, vor welchem verheerenden Sturz die Banken- und damit auch die Weltwirtschaft stehen.