Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Peter Ionian · 11. Dez 2011 · Gesellschaft

Cineastic Gondolas – Eine abgefahrene Nacht der experimentellen Schwebefahrten

Lech am Arlberg hat mit Cineastic Gondolas eine bahnbrechende Saisoneröffnung hingelegt. Wer Dr. Christoph Murr kennt, weiß, dass er immer wieder mit abgefahrenen Parties und Ideen daherkommt, aber diesmal hat er sich selbst übertroffen und schreibt: „Das Konzept ist gleichermaßen simpel wie faszinierend.“ Und wenn man das Konzept zufällig auf dem Tisch der Tourismusbeauftragten von Lech am Arlberg herumliegen gesehen hat, kam man nicht umhin, darin zu blättern. Wer darin mal geblättert hatte, wollte Teil der Veranstaltung sein. Am Ende war es dann auch eine gewaltige Crew mit über 50 HelferInnen und einer aufwändigen Logistik. Aber was war das nun für ein Konzept?

Das Genre der Animationsfilme bringt oft so genannte „Shorts“, also Kurzfilme zutage, in denen in hoher Informationsdichte und kürzester Zeit phantastische Geschichten erzählt werden. Die Macher solcher Werke schätzen vor allem die umfassenden Möglichkeiten ihrer Kunst, denn der Animationskunst sind keine Grenzen außer eigener Vorstellungskraft und Phantasie gesetzt. Diese komprimierten Geschichten dauern gerade so lange wie eine Gondelfahrt zwischen Tal- und Bergstation. Einem Raumschiff gleich schwebte man losgelöst durch die Nacht und erlebte abstrakte Animationskunst in kleinen Happen. Und wem das noch nicht reichte, der konnte in den Discogondeln zu vollwertigem DJ-Sound abtanzen.

Klang- und Bildwelten from outer space

Da die Räumlichkeiten natürlich eigentlich zum Zwecke einer möglichst reibungslosen Abfertigung des Ski-Tourismus entworfen wurden, waren allein schon architektonisch völlig neue Regeln für eine Abendveranstaltung auf dem Reißbrett. Der erste Floor war der Weltraumbahnhof, der bereits mit DJ-Sound eingehüllt war. Beim Aufgang zur Abschussrampe wurde man vom in Weltraumuniformen gekleideten Bodenpersonal durchsucht und auf die Schippe genommen. Alles war von Rauch und Licht durchflutet. In der kleinen Bar gab es einen süßen Space-Shot zur Vorbereitung auf den bevorstehenden Abflug. Das „Spaze Tri Soundkollektiv", bestehend aus Helmut Neugebauer am Sax und der Flöte, dem virtuosen David Helbock an den Tasten und Audiomed Christoph Murr persönlich, stimmte mit Live-Klangbildern auf einen außerirdischen Trip ein.

Weltraumreisen für Einheimische und Gäste

Nach dem Countdown und bevor man wirklich in die Gondeln durfte, wurde jeder gescannt. Auf gemütlichen Sitzsäcken hebten die eingekleideten Gondeln der Rüfikopfbahn ab, nur dass es nicht mehr die Rüfikopfbahn war. Spätestens jetzt war man in einer anderen Welt. Die Clipauswahl der Animationsfilme unterstützte diese Reise auf Abwege ordentlich. Ein berauschendes Erlebnis, das dann von der Spacecrew abgefangen wurde. Im Geleit des „Metropics“ Theater-Ensembles machte man eine Tour auf der Bergspitze. Hier durchschnitten riesige Projektionen und Visuals von Fritz Fitzke und Udo Kapeller die spacige Nacht und warfen sich an Hausfassaden und Berghänge. Die Hänge dort oben sind nebenbei erwähnt bestens mit Schnee bedeckt, nicht nur für Projektionen, sondern auch für den Wintersport. Klanginstallationen und Live-Percussion von Sonifer und HAJAmadagascar rundeten das Feeling ab, im All zu sein. Nach so vielen Eindrücken war es Zeit für eine Pause und den Meteoritenpunsch an der Feuerschale. Durchatmen, das war noch längst nicht alles.

Tanzen und feiern unter glücklichen Besuchern

In der Bergstation Rüfi 1 starteten um halb zehn der Kinobetrieb, wo alle Filme nochmals am Stück gezeigt wurden, und die Discogondeln. Kein Scherz, die Gondeln wurden zu kleinen Discofloors umgestaltet und es wurde ausgiebig getanzt. Zum Schaukeln bringen war verständlicherweise verboten, aber die Stimmung trotzdem bestens. Das Gondelgefühl prägte sich derart ins motorische Bewusstsein ein, dass der Boden sich auch auf festem Untergrund weiterhin unter den Füßen bewegte. Mit einem Gipfelkonzert von „My Name Is Music“ fand die Expedition ihren letzten Programmpunkt. Natürlich war auch eine Aftershowparty in der Archiv-Bar eingeplant.

Zukunftsweisendes Tourismus- und Eventverständnis

Gut 500 Besucher verteilten sich auf dem Gelände und das, obwohl der Vorverkauf die Veranstalter bis zuletzt hat schwitzen lassen. Mit diesem Opening hat Lech neue Maßstäbe gesetzt. Die Zukunft der Eventgestaltung ist am Samstag bei uns am Arlberg gelandet. Bombardiert von Möglichkeiten und Eindrücken verging die Zeit wie im (Weltraum-)Flug. Gut möglich, dass das manchen zu abgehoben war und ein wenig überzeichnet. Aber für so viel Schmäh und Liebe zum Detail, so viel persönlichen Charakter, den die zahlreichen MitarbeiterInnen eingebracht haben, so viel visionären Wahnsinn und Improvisationsvermögen, so viel Mut und Bereitschaft, neue Schritte zu wagen, bleibt nur zu gratulieren und auf eine Wiederauflage im kommenden Jahr zu hoffen.