Neu in den Kinos: "Die Unschuld" (Foto: Wild Bunch Germany/Plaion Pictures)
Gunnar Landsgesell · 15. Okt 2015 · Film

Crimson Peak

Was findet in diesem Film nicht alles zusammen: Gothic Horror und Love Story, kriminologischer Spürsinn und chronikale Aufarbeitung. Die ätherische Mia Wasikowska gerät Ende 19. Jahrhundert durch die Liebe zu einem seltsamen britischen Baron in eine Art Spukschloss, dessen Interieurs so schwarz wie die Nacht sind, aber die Böden davor purpurrot. Jessica Chastain setzt als Schlossherrin viel neurotisch-repressive Energie frei. Ein Film für Nerds und Gothic-Liebhaber von Fantasy-Tüftler Guillermo del Toro.

Bei den Filmen von Guillermo del Toro ("Pan’s Labyrinth") hat man immer ein wenig den Eindruck, dass die Lust an einer reichhaltigen visuellen Gestaltung die Inhalte zu überwuchern droht. „Crimson Peak“ ist da keine Ausnahme. Der bis ins Ornamentale getriebene wenngleich detailversessene Gothic-Look konveniert zwar mit einer Geschichte, die mit ihren Stimmungslagen zwischen schüchterner Schwärmerei (Mia Wasikowska) und neurotischer Perversion (Jessica Chastain) eine deutliche innere Spannung aufzubauen vermag. Zugleich scheint der Film aber nicht von einer Ursprungsidee, sondern von einigen ikonischen Bildern her entworfen worden zu sein, rund um den die Geschichte dann ziemlich eklektisch entwickelt wurde. „Crimson Peak“ nimmt Ende des 19. Jahrhunderts seinen Ausgang von einem ausladenden und noblen Haus an der Ostküste der USA, wo Edith (Wasikowska) mit ihrem Vater, einem brummeligen aber liebe- und verständnisvollen Selfmade-Millionär und Bauherrn lebt. Die Mutter ist lange tot, Edith übt sich als Schriftstellerin und wird gelegentlich von Geistern heimgesucht. Als nun plötzlich der etwas seltsame, aber gewinnende Baron Sir Thomas (Tom Hiddleston) aus England auftaucht, der einen neuartigen Baustoff vorstellt, wechselt die Handlung nicht ganz arglos in das Metier der Liebesgeschichte, um sich in England in einem schauerlichen und halbverfallenen Schloss wiederzufinden. Die spitze, in roten Samt oder schwarze Gewänder gehüllte Lady Lucille (Chastain) scheint Sir Thomas, ihrem Bruder, nie von der Seite zu weichen. Das Böse, das del Toro hier nach und nach wie ein kriminologisches Rätsel raumgreifend werden lässt, geht dabei nicht unbedingt vom Jenseits aus. Der mexikanische Regisseur lässt Genres und Sub-Genres wie Horror, Love Story, Haunted House, Ghost Stories und Thriller kunstvoll nebeneinander bestehen, was dem Film eine kuriose Note gibt, zugleich aber entwickelt sich aus diesen Versatzstücken auch nichts eigenständiges Neues.

Vom Sinnlichen und Übersinnlichen


„Crimson Peak“ ist in jedem Fall ein Außenseiter, der sich einer Zuordnung widersetzt. Mit der düsteren Architektur des schwarzen Schlosses und seinen dramaturgisch geordneten drei Etagen (klassisch: im Obergeschoß die Versprechung des Privaten, in der Empfangshalle die Repräsentation und der Konflikt, im Keller das Undenkbare) finden sich Ästhetiken des Grauens in der Architektur wie in kleinen Gesten. Wenn Lady Lucille einen Schmetterling an Ameisen verfüttert oder eine morsche Wohnlandschaft warnend an alle Sinne appelliert, dann verspricht dieser Ort nichts Gutes. Die Flure scheinen hier zu leben, aber wie in Jack Claytons psychoanalytisch codierten Haunted House Film „The Innocents“ (1961) stellt sich auch hier die Frage, ob es sich um eigene Projektionen handelt oder um die Manifestation des Schreckens. Zugleich ist „Crimson Peak“ aber ein Film, der seinen Schauspielern gebührenden Raum zugesteht. Mia Wasikowska („Alice in Wunderland“) gibt einmal mehr das ätherische Wesen, Jessica Chastain erhält nach „Mama“ wieder die Chance, statt innerer Disziplinierung („Zero Dark Thirty“, „Der Marsianer“) eine entgrenzte, ausschweifende Persönlichkeit darzustellen. Aber selbst Rollen, die für die zentrale Handlung unbedeutend sind wie Ediths Vater (TV-Serien-Darsteller Jim Beaver), sorgen ob ihrer präzisen Ausgestaltung für entschiedenes Interesse. Ein Film, der dem sinnlichen und übersinnlichen gleichermaßen Raum zugesteht, darf man „Crimson Peak“ als nerdige und fast schon Comic-hafte Liebeserklärung an die Schattenseiten der Filmgeschichte verstehen. Auch wenn der Blick hinter die Fassaden am Ende manchmal weniger ansprechend ist als diese selbst.