Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Walter Gasperi · 15. Okt 2015 · Film

Aktuell in den Filmclubs (16.10. – 22.10. 2015)

Im Alten Kino Rankweil läuft diese Woche im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Rankweil in Pink – Wir setzen ein Zeichen gegen Brustkrebs“ Andreas Dresens schonungsloser Spielfilm „Halt auf freier Strecke“. Im Kunstmuseum Liechtenstein steht Andrej Tarkowskis epochales Meisterwerk „Andrej Rubljow“ auf dem Programm.

Halt auf freier Strecke: Der Mittvierziger Frank (Milan Peschel) erhält die niederschmetternde Diagnose "inoperabler bösartiger Gehirntumor". – Andreas Dresen begleitet ihn und seine Familie in diesem Spielfilm durch die letzten Monate des Lebens.
Dresen beschönigt nichts, ist hautnah an den Figuren, aber nie voyeuristisch, dramatisiert auch nicht, sondern zeigt, wie schon in "Halbe Treppe" oder "Wolke 9" das Leben – oder hier vielmehr das Sterben – bei der Arbeit. Hier wird keine "Was ich noch tun muss"-Liste abgehakt, sondern ganz alltäglich geht es weiter. Denn Dresen zeigt, dass der Tod ganz selbstverständlich zum Leben gehört, zeigt aber auch, dass er das Schreckliche per se ist, das man am liebsten so weit wie möglich von sich schiebt.
Tieftraurig und ergreifend ist das, was hier geschildert wird, nur nicht sentimental, denn nüchtern ist der Blick und auch nicht frei von schwarzem Humor, wenn sich Frank vorstellt, dass der personifizierte Tumor in der Harald Schmidt-Show auftritt und erzählt, wie er das Leben Franks steuert, oder dass in den Nachrichten über diesen Tumor berichtet wird. Und Frank selbst hält seine letzten Monate mit seinem I-Phone als Video fest, wobei diese Szenen durch die Grobkörnigkeit und die Unschärfe deutlich vom restlichen Film abgehoben sind.
Je leiser dieser Film wird, desto lauter scheint er zu schreien, desto tiefer ins Herz der Zuschauer zu fahren. Leise wird hier getrauert, nur einzelne Tränen rollen über die Wangen, die Mutter schafft es nicht den sterbenden Sohn zu besuchen, der Vater umarmt ihn unter Tränen ein letztes Mal, eine einstige frühere Geliebte erinnert ihn an eine Urlaubsreise und dabei rinnt Frank auf dem Totenbett eine Träne über die Wange. Silvester wird mit Raketen gefeiert und das neue Jahr wird begrüßt, doch für Frank wird es keine Zukunft geben. Wie leicht könnte das zu Kitsch werden, ist hier aber von größter Echtheit und Wahrhaftigkeit.
Und so sehr das ein Film übers Sterben ist, so geht am Ende das Leben für die anderen doch weiter: Das letzte Wort hat Tochter Lilly, die erklärt, dass sie zum Training müsse und Gisbert zu Knyphausen singt zum Nachspann: "Das Leben lebt, es ist ein wunderschöner Sommertag."
Altes Kino, Rankweil:
Di 20.10., 20 Uhr

 

Andrej Rubljow: Andrej Tarkowskis Film über die Leidensgeschichte eines mittelalterlichen Ikonenmalers, der zunächst an die Welt und die Schönheit glaubt, aber seine Illusionen durch die Gewalt der Herrschenden zunehmend verliert, gehört zu den epochalen Meisterwerken der Filmgeschichte.
Nicht unbeträchtlich hat zum Ruhm dieses bildstarken dreistündigen Schwarzweißfilms freilich auch seine Zensurgeschichte beigetragen. Denn sofort nach seiner ersten Aufführung 1966 in Moskau wurde der Film verboten, von den Filmfestspielen in Cannes wurde er 1968 von den Sowjets zurückgezogen, Venedig strich im selben Jahr alle sowjetischen Filme aus dem Programm, um so "Andrej Rubljow" freizupressen. Trotz sowjetischen Protests wurde das Epos 1969 in Cannes gezeigt und mit dem Preis der Filmkritik ausgezeichnet, Freigabe in der UdSSR erhielt der Film dann aber erst im Dezember 1971.
Man warf Tarkowski vor ein verzerrtes und negatives Bild des mittelalterlichen Russland zu zeichnen, doch vor allem waren wohl die religiösen Aspekte und das Plädoyer für die Freiheit des Künstlers den Zensoren ein Dorn im Auge, die in der mittelalterlichen Geschichte wohl auch eine Spiegelung der Sowjetunion der 1960er Jahre sahen.
Nichts hat dieses Meisterwerk seit seiner Uraufführung an Kraft verloren, fesselt immer noch durch visionäre Szenen und eine spektakuläre Kameraarbeit mit komplizierten Fahrten, aber auch durch seine philosophischen Diskurse über den Sinn der Kunst und die Aufgabe des Künstlers.
Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz:
Do 22.10., 20 Uhr