Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Gunnar Landsgesell · 15. Mär 2012 · Film

Best Exotic Marigold Hotel

Die Aussicht, den Lebensabend trotz bescheidener Pensionsbezüge in Luxus zu verbringen, führt sieben britische Pensionist/innen in Indien zusammen. Der Folder des „Best Exotic Marigold Hotel“ hält freilich nicht, was er versprach, das Traumhotel entpuppt sich als veritable Ruine. Den Fortgang dieser verfahrenen Situation inszeniert Regisseur John Madden als turbulente Bewährungsprobe von reifen Persönlichkeiten im Pensionsschock der etwas anderen Art. Viel Herz, viel Schmerz, ein Schuss Sarkasmus – zu erwarten ist eine romantische Ensemblekomödie, die auf die Konventionen des Genres setzt.

Indien als das bessere Altersheim

In wenigen Zügen skizziert Regisseur John Madden („Shakespeare in Love“) seine Akteure. Das Ehepaar, dessen Gefühle nur noch aus falscher Loyalität bestehen; die sensible, ältere Lady (Judi Dench), die nach dem Tod ihres Mannes die Selbstständigkeit probt; eine Hüftgelenkspatientin (Maggie Smith) als notorische Alltagsrassistin oder ein schmieriger Gigolo (Ronald Pickup) auf seinem „letzten“ Abenteuer. Bis auf einen schwulen Richter setzt sich die kleine Gruppe aus Wohlstandsverlierern der britischen Mittelschicht zusammen, die vor allem die Frustration eint, im Ruhestand nicht mehr gebraucht, aber vom Staat auch nicht adäquat versorgt zu werden. Um diese wenig originelle Konstellation filmischer Rentner zu brechen, kommt nun das mit fetten, bunten Pinselstrichen ins Bild gesetzte Indien ins Spiel. In wirbelnden Bildern dienen sich dessen Einwohner mit Zweckoptimismus, Lebensbejahung und Improvisation den jammernden Versorgungsstaatlern als role models einer besseren Lebensphilosophie an. Speerspitze dieser Haltung ist der junge, wenngleich chaotische Inder Sonny (der Brite Dev Patel, bekannt aus „Slumdog Millionaire“), dessen Hotelbetrieb zwar selbst jegliche Zukunft vermissen lässt, der diese aber unverdrossen beschwört.

Ein Film als Lehrstück

Während die Gäste ihre Zwänge langsam fahren lassen, nimmt der Film an Fahrt auf. Verdrängte Erinnerungen, peinliche Auftritte und amouröse Avancen sollen für jenen Elan sorgen, mit dem auch Senioren sich als wahre Kino-Entertainer beweisen sollen. Leider scheint das Vertrauen darin begrenzt, lässt einen die biedere Inszenierung selbst dann nicht von der Hand, wenn Judi Dench ein großer Schmerz überkommt oder der alte Richter seinen schuldhaft erinnerten, indischen Jugendliebhaber wieder trifft. Immer gibt es Gaffer in diesem Film, so muss jede Handlung von anderen beäugt und kommentiert werden, darf nichts für sich stehen, verkommt alles zur Bühne. Obwohl der Cast exzellent ausgewählt ist und selbst eine Komödie, die mit Überzeichnungen  und Klischees arbeitet, durchaus Menschen aus Fleisch und Blut verträgt, ähneln Dench & Co auch am Ende noch eher Typen als Charakteren. Das verträgt sich nur bedingt mit der unvermeidlichen Wandlung, die ein Gutteil dieser Figuren durchlebt. Aus Vorurteilen erblühen neue Freundschaften, womit es der Rassistin überlassen bleibt, selbst der Kaste der Unberührbaren die Hand entgegenzustrecken, während der Gigolo, ein ausgewiesener Sexist, sich zum charmanten Lebenspartner einer neuen Bekanntschaft wandelt. Derart gerät ein ganzer Film zum Lehrstück fürs Leben. Das wirkt dann doch ziemlich altbacken.