Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Gunnar Landsgesell · 10. Jän 2019 · Film

Ben is Back

Nix mit friedlichen Weihnachten, weil der notorische Junkie Ben das familiäre Heim der Reha vorzieht. Was als Familiendrama beginnt, setzt sich als nächtliche Reise in das zweite Leben des Sohnes fort. Ganz groß zwischen Kontrollgehabe und Zusammenbruch: Julia Roberts als Bens gebeutelte Mutter.

Ein gemütliches Einfamilienhaus in einer verschneiten Winterlandschaft. Weihnachten steht vor der Tür, aber plötzlich auch Problemsohn Ben. „Ben is Back“ – der Filmtitel ist Programm – und der 19-Jährige wird das geordnete Familienleben gehörig erschüttern. Dass die Familie ihr Fest zu Hause feiert und der Sohn in der Entzugsklinik, so war es ausgemacht. Was aber tun, soll man ihn abweisen, und das zu Weihnachten? Schon allein diese Frage spaltet die Familie. Besorgt sind alle, Vater und Tochter sind dafür, die Mutter (Julia Roberts) dennoch dagegen. Ihre Prämisse, die quasi auch dramaturgisch eine Vorgabe ist: Ben soll keine Minute allein gelassen werden. Ein Film als Vertrauenstest, in dem die Drogensucht und die daraus entstehenden taktischen Manöver ein zunehmend fahriges Familiendrama formen. Am Ende weist „Ben is Back“ Anklänge eines düsteren Thrillers auf. Wenn es aus der gutbürgerlichen Wohnstadt hinausgeht in die Peripherie, zwischen heruntergekommene Trailer-Homes, Tankstellen und wenig vertrauenserweckende Waldstücke, dann hat sich die Geschichte zu einer nervösen Mutter-Sohn-Nachtfahrt verästelt. In diesen Szenen wähnt man sich auf den Spuren von Debra Graniks grimmigem Jugenddrama „Winters Bone“. Autor/Regisseur Peter Hedges bricht etwas überraschend die Form des Familiendramas auf und lässt dessen Sicherheiten, auch was die eigene Inszenierung betrifft, sausen. Das wirkt nicht unbedingt stimmig, so wie "Ben is Back" fragmentarisch, fast unfertig wirkt mit seinen einzelnen Stationen, schafft aber ein neues, raues Forum für seine zwei wichtigsten Charaktere und ihre Darsteller: Julia Roberts und Lucas Hedges (Sohn des Regisseurs), die die unstete Bewegung, der dieser Film verpflichtet ist, intrinsisch aufgreifen.

Nächtliche Reise

Selten hat man Julia Roberts, wohl für immer mit ihren Komödienrollen in „Pretty Woman“ und „Notting Hill“ oder auch mit jener als „Erin Brokovich“ verbunden, so eindrücklich erlebt. Man hat den Eindruck, dieser Frau ungeschminkt in das Gesicht zu blicken, in dem sich ohne falsches Pathos die Gefühlslagen der ganzen Familie ablesen lassen. Regisseur Hedges und sein Kameramann Stuart Dryburgh (Oscar für „Das Piano“), oftmals in diesem Film als Verfechter eines Realismus erkennbar, wagen sich weit vor, nehmen Roberts immer wieder in Großaufnahmen ins Visier, finden einen Menschen aus Fleisch und Blut. Vielleicht sollte man bedauern, dass Hedges sein gut austariertes Familiendrama zugunsten eines spekulativen Fortlaufs aufgibt. Der skeptische, schwarze Stiefvater (Courtney B. Vance) und die sich dem Bruder vorsichtig öffnende Schwester (Kathryn Newton) zeichnen in ihrer Gesamtdynamik aber ein Bild, wie es von Familien oft gezeigt wird: ein gebeuteltes System, in dem das Ringen um Einigkeit alles dominiert. Der massive Vertrauensverlust wird aber erst zwischen Mutter und Sohn virulent, dann, wenn sich auf deren albtraumhafter Reise schlimmste Gräben auftun. Wenn der Sohn ein anderer ist, als geglaubt, und die Mutter in dessen zweites Leben taucht.