Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Gunnar Landsgesell · 06. Jun 2013 · Film

Before Midnight

Wie das Leben so spielt: Ethan Hawke und Julie Delpy kommen nach zwei filmischen Stationen in Wien und Paris nun in der Wirklichkeit an: Griechenland wird der Schauplatz einer Beziehungskrise zwischen frecher Ironie und Ego-Kränkungen, in der vielleicht nur kleine Rollenspiele noch vor dem Ende retten. Wie, das ist absolut sehenswert.

Griechenland ist einmal mehr auf Krise abonniert. Richard Linklater macht daraus allerdings ein Kunstwerk. „Before Midnight“ beginnt mit einem Bekenntnis: Ethan Hawke verabschiedet seinen halbwüchsigen Sohn aus erster Ehe am Flughafen in Kalamata innig. Das war der schönste Sommer meines Lebens, sagt der Sohn. Für mich auch, I love you, antwortet Hawke und drückt seinen Sohn an sich. Schon in der nächsten Szene – eine etwa zehn- bis 15-minütige Autofahrt, gedreht in einer Einstellung – folgt die erste Kränkung. Hawke, der mit seiner alten Liebe aus Wien Julie Delpy (aus „Before Sunrise“, 1994) nunmehr seit vielen Jahren zusammen lebt, eröffnet Hawke ganz nebenbei, dass sein Sohn eben von seiner ersten Liebe Abschied nehmen musste. Die Folge ist ein doppelt gekränkter Vaterstolz: deshalb also der schönste Sommer, und selbst diese frohe Botschaft wurde nicht ihm, dem Vater, mitgeteilt. So, wie man bestimmte Situationen – vielleicht romantisch – für sich interpretiert, wie man das Leben und seine Umwelt sieht, ganz so verhält es sich im Abgleich mit seiner Umwelt dann doch nicht immer. Ungefähr so darf man sich das vorstellen, was Linklater gemeinsam mit seinen Protagonisten und Ko-Autoren Delpy und Hawke erarbeitet hat: eine Beziehung, die nach der romantischen Phase der ersten beiden Filmen in der Wirklichkeit angekommen ist. In fünf oder sechs Bildern, jeweils aus langen Plansequenzen bestehend, tasten sich die beiden Schauspieler zwischen Ironie und schließlich zunehmender Ernüchterung ab. In einem atemberaubenden Spiel der Nuancen nehmen sie dabei selbst abwechselnd Rollen ein: Hawke, der Schriftsteller, hat es einmal mit einer verliebten Partnerin, mit einer scharfzüngigen Kontrahentin und dann wieder mit einer herausfordernden Frau zu tun, die selbstironisch die naive Blondine spielt, um den versteckten Machismo und die Eitelkeiten des Schriftstellers zu enttarnen. Die Räume, durch den beiden eine schwebende Kamera folgt, verstärken diese wechselnden Beziehungsphasen. Während die anfängliche Autofahrt noch recht unbestimmt in ihrer Richtung wirkt, wird der gemeinsame Essenstisch der befreundeten Gastgeber für den Zuseher emotional bereits zur Nagelprobe: So wie man sich oft in kleinen intimen Öffentlichkeiten eine Art Persona zulegt, um auf spielerische Weise sich selbst zu tarnen und Botschaften anzubringen, so funktioniert auch diese Tischgesellschaft. Ein frivoles Spielchen, das schließlich die Kühle eines Luxushotelzimmers und einem Beziehungsbruch auf muntere Weise Vorarbeit leistet.

Nahezu genial erscheint einem „Before Midnight“ gleich mehrfach: Mit Dialogen vollgepackt sind diese zwei Stunden in keiner Weise geschwätzig. Das Publikum taucht ziemlich schnell in das Geschehen ein, was auch daran liegen mag, dass man sich selbst in Momenten wieder erkennt. Dramaturgisch wirkt die Inszenierung aber so federleicht, weil es gelingt, das Leben dieser beiden Menschen in wenigen Szenen zu erschließen. Und so von ihnen zu erzählen, dass es keinen einzigen Flashback braucht, um die Genese dieser Beziehung zu verstehen. Was hier so unmittelbar und nahezu improvisiert wirkt, ist Ergebnis harter Arbeit, wie die Beteiligten erzählen. Präzise Planungen und ein exaktes Drehbuch erfüllen „Before Midnight“ mit Leben.