Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Walter Gasperi · 02. Mär 2009 · Film

Aktuell in den Filmclubs (16.3. - 22.3.2009)

Stadt der Blinden: Auf offener Straße, zu Hause – überall erblinden in einer anonymen Großstadt plötzlich und ohne ersichtlichen Grund Menschen. – Eine Epidemie breitet sich aus und bald werden die Blinden in einer ehemaligen Klinik, die vom Militär bewacht wird, unter Quarantäne gestellt. Nur die Frau eines Arztes – namenlos bleiben alle Figuren des Films – wird von der Krankheit nicht befallen, begleitet aber die Blinden in die abgeriegelte Zone. Im Kampf ums Überleben zerbröckelt hier rasch der dünne Lack der Zivilisation, setzt sich der Stärkere durch und werden Lebensmittel zunächst gegen Geld, dann gegen sexuelle Dienste zugeteilt. – Nach „City of God“ und „Der ewige Gärtner“ hat der Brasilianer Fernando Meirelles wiederum zusammen mit seinem uruguayischen Kameramann César Charlone den Roman des portugiesischen Literaturnobelpreisträgers José Saramago verfilmt. Bestechend ist das visuelle Konzept mit einerseits grell überbelichteten Bildern, denen die Farben förmlich ausgetrieben sind, sodass nur Schemen sichtbar sind, und andererseits ganz dunklen Szenen. Die Desorientierung, Hilflosigkeit und Verwirrung der Blinden wird dadurch ebenso wie durch die vielen extremen Nahaufnahmen eindringlich vermittelt. Doch fern bleiben dem Zuschauer die Figuren, die aufgrund des parabelhaften Charakters nie zu Menschen aus Fleisch und Blut werden, mit denen man hofft und um die man bangt. Sie bleiben vielmehr Funktionsträger, deren Schicksal kalt lässt.
FKC Dornbirn in den Weltlichtspielen Dornbirn: Donnerstag, 19.3., 19.30 Uhr; Freitag, 20.3., 21.30 Uhr


Let´s Make Money: Nach dem kritischen Blick auf die industrielle Nahrungsmittelproduktion in „We Feed the World“ nimmt der österreichische Dokumentarfilmer Erwin Wagenhofer die Mechanismen der Finanzwelt unter die Lupe. Ausgehend von der Frage „Was passiert mit dem Geld, das der durchschnittliche Sparer auf seiner Hausbank anlegt?“ folgt Wagenhofer den Geldgeschäften und ihren Akteuren um den ganzen Globus, befragt Fonds-Manager und Kritiker des Neoliberalismus, einen österreichischen Unternehmer in Indien ebenso wie einen so genannten Economical Hitman, der über die Strategien spricht, mit denen die US-Regierung Länder des Südens in die ökonomische und politische Abhängigkeit treibt.
Wirklich in die Tiefe kann „Let´s Make Money“ angesichts des kurzatmigen Springens quer über die Kontinente von der Baumwollproduktion in Ghana zur Immobilienblase in Südspanien und vom Steuerparadies Jersey zur an einen US-Investor verkauften Wiener Straßenbahn nicht gehen, bietet aber jede Menge erhellende Einblicke in die verheerenden Auswirkungen von Neoliberalismus und Globalisierung.
Club Vaudeville, Lindau: Dienstag, 17.3., 20.45 Uhr


Waltz With Bashir: Zunächst auf realem Videofilm als Basis für eine gezeichnete Version gedreht, ist ein Film entstanden, den es im Grunde nicht geben kann: ein animierter Dokumentarfilm. Denn von Freunden auf seine Erinnerungen an den Libanonkrieg 1982, bei dem er in unmittelbarer Nähe der Massaker von Sabra und Shatila als Soldat diente, angesprochen, wollte der Regisseur Ari Folman sich zunächst an die damaligen Ereignissen nicht erinnern. Auf Dauer konnte das Verdrängte aber nicht unterdrückt werden und so machte Folman sich auf eine Spurensuche nach der eigenen Vergangenheit, interviewte damalige Kriegskameraden und rekonstruierte so die Ereignisse und das zwischen Discofieber und brutalen Kriegsaktionen pendelnde jugendliche Lebensgefühl. Nicht zuletzt dank eines brillanten Sounddesigns mit zeitgenössischen Songs und treibender Musik  entwickelt „Waltz with Bashir“ einen hypnotischen Sog, der durch Verfremdungen mit ausgeklügelter Farbdramaturgie noch gesteigert wird. Jeglicher Voyeurismus, der klassischen Kriegsfilmen oft innewohnt, wird durch die Verschiebung auf die Trickfilmebene vermieden und der Schrecken bricht voll und nachhaltig durch, wenn am Ende die Animationsszenen in Archivaufnahmen vom Massaker übergehen.
Kino Madlen, Heerbrugg: Montag, 16.3., 20.15 Uhr


Yol – Der Weg: Ein 1982 mit der Goldenen Palme von Cannes ausgezeichneter Höhepunkt des türkischen Kinos, gedreht von Serif Gören nach genauen Anweisungen des damals im Gefängnis sitzenden Yilmaz Güney. Erzählt wird in einer großen Parallelmontage von fünf Strafgefangenen, die für eine Woche Hafturlaub erhalten. Auf dem Weg zu ihren Familien und in ihren Familien müssen sie dabei aber feststellen, dass das ganze Land ein Gefängnis ist, eingeengt nicht nur durch das überall präsente Militär, sondern auch durch religiöse Traditionen und gesellschaftliche Zwänge.
Takino Schaan: Donnerstag, 19.3., 20 Uhr