Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Walter Gasperi · 05. Sep 2010 · Film

Aktuell in den Filmclubs (6.9. - 12.9. 2010)

La Pivellina: Film ist immer und ganz entscheidend eine Frage des Blicks – des Blicks auf die Welt und vor allem auf die Menschen. Für den Dokumentarfilm gilt das noch mehr als für den Spielfilm. Nachdem die Boznerin Tizza Covi und der Wiener Rainer Frimmel in „Babooska“ dokumentarisch den Alltag in einem Wanderzirkus geschildert haben, bleiben sie in „La Pivellina“ – der Titel heißt „Die Kleine“ – bei diesem Milieu. Und auch die Inszenierung und der Blick bleiben dokumentarisch, fiktiv ist aber die kleine Geschichte. Auf wenig ist diese beschränkt, lässt sich darauf reduzieren, dass eine Frau mit feuerroten Haaren ein kleines Mädchen findet und dieses zusammen mit ihrem Mann – obwohl er Einwände wegen der Geldnot und eventuellen Problemen mit der Polizei hat – aufnimmt. Langsam kommen sich vor allem Frau und Mädchen näher, bis sich die Mutter per Brief meldet und ankündigt, das Mädchen abholen zu wollen.
Dazwischen gibt es nur kleine Szenen, die nicht so sehr Einblick in das Leben im Trailerpark bieten wollen, als vielmehr von Menschlichkeit, wachsender Zärtlichkeit und Nähe erzählen. Da macht Pattis Mann mit dem Findelkind Asia Fotos, Patti bekommt eine Autofahrstunde, ihr Mann Walter gibt dem Nachbarsjungen Tipps für einen Boxkampf oder trainiert für seine Zirkusauftritte oder Patti lernt mit dem Nachbarsjungen Geschichte. Und schließlich organisieren die ausnahmslos von Laien gespielten und dadurch ungemein authentischen Figuren für Asia eine Abschiedsfeier.
Hautnah folgt zwar auch hier wie bei den Dardennes die Kamera Patti und wie bei den Dardennes verzichten auch Covi/Frimmel auf Filmmusik, aber das Harte, das Atemlose, das Verzweifelte fehlt „La Pivellina“. Ganz vom mitfühlend-liebevollen Blick auf die Protagonisten lebt dieser Film, von kleinen Szenen, in denen die steigende Vertrautheit und die zunehmende leise Liebe spürbar werden. Da geht es nicht um bittere Sozialkritik, im Mittelpunkt stehen die Menschen, die undramatisch beobachtet werden. – In diesem Blick auf die Menschen und der dokumentarischen Einbettung in das Milieu erinnert dieser Film an den Neorealismus, speziell an die frühen Filme von De Sica oder Fellini. – Und mit diesen Regisseuren verglichen zu werden ist nun beileibe nicht das schlechteste, das einem passieren kann.
Taskino Feldkirch im Kino Namenlos:
Mi, 8.9., 19.30 Uhr; Do, 9.9., 21.30 Uhr

Bergauf, bergab: Hans Haldimann begleitet die Familie Kempf, die auf drei Ebenen einen Bauernhof bewirtschaftet und so rund zehnmal im Jahr umzieht, durch den Ablauf eines Jahres.
Der Fokus liegt ganz auf der Familie und den im Tal („Buchen“, 560 m) auf 1130 Meter („Bieler“) und auf 1715 Meter („Pfaffen“) Höhe gelegenen Höfen. Nur zweimal gibt es kurze Szenen aus einem Supermarkt, in dem die Schwester des Bauern Alois Kempf arbeitet. Ansonsten sieht man nur die aus Max und Monika Kempf, sowie den beiden kleinen Kindern bestehende Familie, die Eltern, wenige Verwandte und Bekannte, die bei der Arbeit immer wieder zur Hand gehen. Niemand außer den Betroffenen kommt auch zu Wort, auch auf Off-Kommentar wird verzichtet, sodass sich eine konsequente Innensicht des Lebens einer Bauernfamilie einstellt.
Das Besondere an den Kempfs ist freilich, dass die Bewirtschaftung nur eines Hofs unrentabel wäre, sodass sie gezwungen sind, entweder auf drei Ebenen zu wirtschaften oder den Bauernberuf aufzugeben.
Haldimann konzentriert sich auf die alltägliche Arbeit auf den einzelnen Höfen. Nah ist der Regisseur beim Mähen der extrem steilen Bergwiesen, beim Abtransport des Heus oder beim Neubau eines Stalls, für den Balken per Hubschrauber herbei geflogen werden, mit der Kamera dran. Nicht immer ist aber gleich klar, auf welchem Hof man nun eigentlich ist. Auch die Zeitstruktur, die den Kreislauf eines Jahres vom Winter bis wiederum zum Winter beschreibt, tritt nicht immer klar zu Tage, ist vielmehr Hilfskonstruktion um die einzelnen Szenen zusammen zu halten.
Spannend ist „Bergauf, bergab“ freilich in den ungeschönten, aber doch optimistischen Einblicken, die er bietet, im Sichtbarmachen der Ambivalenz von schwerer Arbeit, keinem fixen Stundenlohn und der Unabhängigkeit, die das Führen eines eigenen Hofes mit sich bringt. – Man spürt, dass man diese Arbeit nur aus Liebe machen kann, dass der Lohn für die Mühen, aber noch eine Verbindung, ein Bezug zu seiner Arbeit und vor allem dem Vieh und Zufriedenheit sind.
Etwas zu stark wird allerdings mit Bildern der zwei spielenden Kinder der verklärende Eindruck einer einfachen, aber unbeschwerten und glücklichen Kindheit evoziert. Und formal kann der deutlich Erich Langjahr nacheifernde Film mit den Werken des Vorbilds nicht mithalten: Da fehlt der genaue Blick, die Geduld insistierend hinzusehen. – Wo bei Langjahr aus der Langsamkeit Intensität entsteht, da tendiert Haldimann zu Kurzatmigkeit, zu Information statt zu Intensität, mit der der Zuschauer in die Welt hineinversetzt würde.
Geroldhus, St. Gerold (Walser Filmtage):
Mi, 8.9., 20.30 Uhr.