Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Walter Gasperi · 29. Jul 2021 · Film

Aktuell in den Filmclubs (30.7. - 5.8. 2021)

Der FKC Dornbirn zeigt diese Woche den österreichischen Spielfilm "Me, We", in dem David Clay Diaz in vier parallel erzählten Geschichten unterschiedliche Aspekte der Flüchtlingskrise thematisiert. Beim Kinotheater Madlen in Heerbrugg steht mit "Spagat" ein starkes Schweizer Drama auf dem Programm.

Spagat: Mit einem starken Ensemble und einem dicht gebauten Drehbuch erzählt Christian Johannes Koch in seinem Spielfilmdebüt in zupackender Inszenierung von der Affäre einer verheirateten Lehrerin mit einem illegal in der Schweiz lebenden Ukrainer. Erweitert wird diese Ausgangssituation durch die Töchter der beiden, die sich im Teenageralter befinden und ihre unterschiedlichen Wünsche klar formulieren.
Koch bleibt nah an den Figuren, bettet sie aber auch überzeugend in ein realistisch gezeichnetes Milieu ein. Hier wird nichts beschönigt, sondern klassisches sozialrealistisches Kino wird geboten, das aus der Handlung heraus ein – fast schon zu – breites Spektrum an Themen entwickelt. Da geht es einerseits um die bedrückende Situation eines Illegalen, der von seinem Arbeitgeber ausgebeutet wird, andererseits um die private Situation einer in einer scheinbar harmonischen Ehe lebenden Frau, die an einer Liebe, die wohl einfach über sie gekommen ist, zu zerbrechen droht.
Ein weiterer Aspekt ist der Gegensatz von saturiertem Schweizer Bürgertum und am Existenzminimum lebenden Migranten und der vor allem jugendliche Wunsch an diesem Reichtum teilzuhaben, während sich der Schweizer Teenager nach Freiheiten sehnt und gegen die Kontrolle durch die Mutter rebelliert.
Kinotheater Madlen, Heerbrugg: Mo 2.8., 20.15 Uhr

Me, We: Mittendrin ist man im zweiten Spielfilm des in Paraguay geborenen David Clay Diaz', wenn im Schwimmbad der junge Österreicher Marcel und seine Freunde auf Migranten losgehen, weil sie glauben, österreichische Mädchen vor den Ausländern schützen zu müssen. Zupackend ist die Inszenierung, erzeugt mit naher Handkamera und schnellem Schnitt Unmittelbarkeit und Spannung, aber auch die natürlich agierenden jungen Schauspieler und die Dialoge wirken echt und evozieren eine authentische Atmosphäre.
Nachrichten über Verbrechen von Asylanten und ausländerfeindliche Wahlplakate schüren die Ressentiments der Jugendlichen, die unter Führung von Marcel bald einen Security-Dienst gründen, bei dem sie jungen Frauen Geleitschutz anbieten. Gegenpol zu diesen Jugendlichen ist die junge Marie, die auf die griechische Insel Lesbos aufbricht, um hier für eine NGO in einem Durchgangslager für Flüchtlinge zu helfen.
Die TV-Redakteurin Petra wiederum nimmt einen vermeintlich 17-jährigen Syrer in ihrer Wohnung auf, um ihn mit Österreich vertraut zu machen, presst ihn dabei aber zunehmend in ihre Welt, bis der Asylant preisgibt, dass er nicht aus politischen Gründen aus Syrien, sondern aus wirtschaftlichen aus Marokko geflohen ist und kein Jugendlicher mehr ist. Und schließlich gibt es da noch den Leiter eines Flüchtlingsheims, der zunehmend mit einem afrikanischen Migranten in Konflikt gerät.
Ein facettenreiches und ambivalentes Bild von Positionen zu Flüchtlingen zeichnet Clay Diaz mit diesen vier Geschichten und zeigt, wie auch beste Absichten leicht ins Negative kippen können. Kraftvolles sozialrealistisches Kino ist das in den besten Momenten, das an Robert Altman erinnernde polyphone Erzählen vermag aber nicht ganz zu überzeugen. Denn außer dem Thema "Wir und die Flüchtlinge" gibt es dramaturgisch keine Verknüpfungen zwischen den einzelnen Geschichten. Problemlos könnte man "Me, We" auch als Episodenfilm anlegen und die vier Geschichten hintereinander erzählen, ihre Verzahnung durch die Montage ist nicht zwingend und dient vor allem dazu, mit häufigen Szenenwechsel die Spannung hochzuhalten.
FKC Dornbirn im Cinema Dornbirn: Mi 4.8., 18 Uhr + Do 5.8., 19.30 Uhr

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