Uraufführung des Stückes „Stromberger oder Bilder von allem“ im Vorarlberger Landestheater (Foto: Anja Köhler)
Walter Gasperi · 02. Sep 2021 · Film

Aktuell in den Filmclubs (3.9. - 9.9. 2021)

Beim Filmforum Bregenz steht diese Woche der Spielfilm „Die Frau, die rannte“ von Hong Sangsoo, der auch als koreanischer Éric Rohmer gilt, auf dem Programm. Das Skino Schaan zeigt dagegen mit „Kuessipan“ eine Coming-of-Age- und Freundschaftsgeschichte, die im Milieu der Indigenen Kanadas spielt.

Die Frau, die rannte: Immer wieder betont Gamhee, die im Laufe des Films drei Freundinnen besucht, dass sie die letzten fünf Jahre jeden Tag mit ihrem Mann zusammen war, dieser nun aber auf Geschäftsreise sei – so oft freilich, dass der Eindruck entsteht, dass es um die Ehe wohl doch nicht so gut bestellt ist.
Ums Reden und was damit verdeckt wird, geht es im 24. Film von Hong Sangsoo. Ganz einfach gehalten sind Handlung und Form. Aus kaum mehr als 20 Einstellungen bestehen die 77 Minuten, statisch ist die Kamera meist, einzig Zooms sorgen wiederholt für Bewegung. Frontal erfasst die Kamera die Sprechenden auf einer Couch oder an einem Tisch, dem Schuss-Gegenschuss-Verfahren verweigert sich Hong konsequent, Musik wird nur eingesetzt wenn die von Hongs Stammschauspielerin Kim Minhee gespielte Protagonistin von einem Besuch zum nächsten wechselt und kurz eine Straßen- oder Stadtansicht eingeschoben wird. Männer bleiben in dem Film aus den Wohnungen der Freundinnen ausgesperrt, tauchen nur dreimal als Störfaktoren auf.
In den Begegnungen mit diesen Männern, die nur von hinten gezeigt werden, werden dabei hinter der Höflichkeit mehr oder weniger deutlich Aggressionen spürbar, während die Gespräche der Frauen banal sind und ums Grillen, um Vegetarismus und die Schönheit von Kühen, um Hühner, das Bild eines Malers oder eine frische Bekanntschaft kreisen.
Die Kunst Hongs besteht einerseits in der bestechenden Form mit sorgfältig kadrierten, in gedeckte Farben getauchten Einstellungen und einem genau kontrollierten Erzählrhythmus, andererseits darin, wie er in diesem trügerisch einfachen Film in diesen langen, betont banalen Gesprächen aufdeckt, wie reden häufig dazu dient, vom Wesentlichen abzulenken und die wahren Gefühle zu verdecken.
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Mi 8.9., 20 Uhr

Kuessipan: Seit Kindheit an sind die beiden in einem Reservat in Quebec lebenden indigenen Mädchen Mikuan und Shaniss Freundinnen, doch unterschiedliche Lebensvorstellungen führen zu Differenzen.
Zunächst einmal ist "Kuessipan" ein klassisches Coming-of-Age Drama, das von den ungemein natürlich agierenden Laiendarstellerinnen Sharon Fontaine-Ishpatao und Yamie Grégoire getragen wird. Weit darüber hinaus geht Myriam Verreaults erster Kinospielfilm aber durch die Verankerung im Milieu der indigenen Bevölkerung.
Eindrücklich feiert die 42-jährige Frankokanadierin einerseits immer wieder in Landschaftstotalen die Weite des Landes, erinnert aber auch daran, dass dieses Land einst der indigenen Bevölkerung gehörte, die nun auf Reservate beschränkt ist. Beiläufig wird auch an deren Verdrängung durch Minengesellschaften und die Zerstörung des Landes sowie den Verlust von Traditionen erinnert.
Hand in Hand damit gehen auch prekäre Lebensbedingungen, die oft zu häuslicher Gewalt und Alkoholismus führen. Auch Kritik an der Männergesellschaft fehlt hier nicht, wenn Mikuans Eltern zwar selbstverständlich in die Eishockey-Karriere des Sohnes investieren wollen, aber wenig Verständnis für ihren Wunsch zu studieren zeigen.
Ganz auf Augenhöhe mit ihren jugendlichen Protagonistinnen ist Vereault, bleibt nah an ihnen dran und beweist viel Einfühlungsvermögen in deren Gefühlswelt, forciert aber die Emotionen nicht, sondern erzählt zurückhaltend. Auch wenn dabei Mikuan im Zentrum steht und allein schon durch ihr Voice-over ihre Perspektive dominiert, so kommt doch auch Shaniss nicht zu kurz. Auch aus dieser Ausgewogenheit in der Schilderung der beiden Lebenswege entwickelt sich eine emotionale Kraft, die "Kuessipan" nachwirken lässt.
Skino Schaan: Mi 8.9., 18.15 Uhr

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