Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings
Neues aus dem Marvel-Universum: "Shang-Chi" präsentiert den ersten asiatischen Superhelden und überzeugt mit der Idee, den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse in der Kernfamilie anzusiedeln.
Kraftmeierei US-amerikanischen Zuschnitts gepaart mit dem grazilen Martial-Arts-Ballett der Wuxia-Filme. Mit seinem neuesten Superhelden-Ableger „Shang-Chi“ scheint sich das Marvel Cinematic Universe neu zu positionieren. Nach „Black Panther“ mit dem 2020 verstorbenen Chadwick Boseman als afro-amerikanischen Superhelden erhält nun auch die asiatische Community eine eigene Erzählung. Ethnic storytelling als Verkaufsstrategie hat sich offenbar bewährt. „Shang-Chi“ hat als Schauwerte zwar die übliche Mischung aus Fantasy-Elementen und verblüffenden Bildkompositionen, die versierte CGI-Spezialisten ausgetüftelt haben. Wasser, das sich zu flüssigen Skulpturen rund um seine Protagonisten aufbaut und sogar spricht, ein Bambuswald, der sich wie durch eine unsichtbare Choreographie aufmacht, seine Besucher zu zermalmen, oder große Kuscheldrachen, auf denen Menschen reiten und die Kräfte des Bösen bekämpfen – das alles kommt einem zumindest bekannt vor. Die Frage ist eher, woraus besteht der Stoff, der solche Spielereien zusammenhält? Die Idee, eine Familie zum Zentrum des Dramas zu machen, in der sich der ewige Kampf von Gut und Böse wie in der kristallinen Miniatur eines Superhelden-Universums als tragischer Reigen entfaltet, ist durchaus gelungen. Im Mittelpunkt des Films steht der junge Shang-Chi (vom kanadisch-chinesischen Schauspieler Simu Liu verkörpert), der so wie seine Schwester (Meng'er Zhang) vom Vater auf brutale Weise zur Kampfmaschine gedrillt wurde. Der Vater, das ist der „Mandarin“ und Chef der Terrorbande Ten Rings, der schon in früheren Marvel Verfilmungen am Rand aufgetaucht ist. Regisseur Destin Daniel Cretton rollt nun in Rückblenden die Familiengeschichte auf: Darin lernt der Mandarin (Hong-Kong-Kino-Superstar Tony Leung) in einer entlegenen, paradiesischen Landschaft seine spätere Frau (Fala Chen) kennen, für die er der Gewalt abschwört. Seine zehn Ringe, die ihm übermenschliche Kraft verleihen, legt er in die Schatulle. Durch ihren Tod besinnt er sich wieder auf seine alten Ideale, Rache und Unterwerfung. Sein Sohn setzt sich aber ab und beginnt in den USA ein neues Leben, bis er von der Vergangenheit eingeholt wird.
Superhelden mit Gefühl
Mit der Besetzung von Tony Leung hat der Film den eigentlichen Protagonisten gefunden. Leungs Figur ist von Trauer und sogar einer Verletzlichkeit durchsetzt, die gepaart mit der gebotenen Grausamkeit für die Ambivalenzen des Bösen zu interessieren vermögen. Vermutlich sollte sich diese innere Zerrissenheit abgeschwächt auch in der Figur von Shang-Chi finden, der kanadisch-chinesische Darsteller Simu Liu lässt diese Schatten aber erst gar nicht aufkommen. Immerhin lässt das Drehbuch den Nice Guy nicht zur Ruhe kommen, wenn er gemeinsam mit seiner Schwester und seiner Arbeitskollegin Katy (die Rapperin Awkwafina) den Kampf gegen die Armee des Vaters aufnimmt. Dass es dem Film zwischen den aktionsgetriebenen Szenen immer wieder gelingt, eine gewisse Intensität für die Tragik dieser Familiengeschichte zu finden, ist jedenfalls auffällig. Für den komischen Tonfall ist vor allem die Rapperin Awkwafina zuständig, deren Figur der etwas düsteren Disney-Produktion die erwartbare ironische Auflockerung verschaffen soll. Achtsamkeit wollte man offenbar aber nicht nur durch die Besetzung asiatischer Schauspieler (Ausnahme: Ben Kingsley als närrischer Schauspieler am Hof des Mandarin) beweisen, sondern auch was die Genderpolitik betrifft. Dass eine ältere Tante von Shang-Chi kurzfristig zur Lehrerin für die wunderbar schwebenden Martial-Arts-Choreographien wird und dass es eine Frau ist, die als einzige den Mandarin durch Kampfeskunst besiegt hat, lässt das Bemühen um eine Abbildung zeitgemäßer gesellschaftlicher Diskussionen erkennen. All jene, die nicht unbedingt Fans von Superhelden-Schlägereien sind, dürften von den "Shang-Chi"-Machern jedenfalls mitgedacht worden sein.