Aktuell in den Filmclubs (29.7. - 4.8. 2022)
Das Filmforum Bregenz zeigt diese Woche das leise, aber durch die Bildsprache beeindruckende georgische Drama "Wet Sand". Beim KUB Bregenz wird das Open-Air, das heuer Wes Anderson gewidmet ist, mit "The Royal Tenenbaums" fortgesetzt.
Wet Sand: Mit einer langen Totalen vom Schwarzen Meer eröffnet Elene Naveriani bildstark ihren zweiten Spielfilm und stimmt auf den langsamen Erzählrhythmus ein. An der georgischen Küste betreibt Amnon (Gia Agumava) das titelgebende Strandcafé, das zentraler Treffpunkt für die Dorfbewohner ist. Bewegung kommt ins Dorfleben, als nach dem Tod des Außenseiters Eliko dessen Enkelin Moe (Bebe Sesitashvili) aus Tiflis anreist. Diese entdeckt bald, dass ihr Opa und Amnon über 20 Jahre ein Liebespaar waren, ihre Beziehung in der homophoben Gesellschaft aber geheim halten mussten. Als auch die Dorfbewohner davon erfahren, bricht ihre Aggressivität offen durch, doch Moe erhält Unterstützung von der lesbischen Café-Bedienung Fleschka (Megi Kobaladze).
Elene Naveriani lässt sich Zeit. Keine schnellen Schnittfolgen gibt es hier, sondern die 37-jährige Georgierin vertraut auf die genau kadrierten Bilder von Kamerafrau Agnesh Pakozdi, die teilweise wie Gemälde wirken, und die drei intensiv spielenden HauptdarstellerInnen. Mit Ausnahme einer Szene ganz auf das Dorf und das Strandcafé konzentriert, lüftet sie langsam Geheimnisse und weitet in sorgfältigem Aufbau das Bild der Dorfgemeinschaft.
Nicht überrumpelt wird man hier mit einer Emotionsmaschine, sondern langsam schleichen sich die Gefühle ein, wirken dafür aber nach. Der Trauer über die erzwungene Verdrängung und Verheimlichung der homosexuellen Liebe steht dabei die Wut auf die empathielose, intolerante und aggressive Männergesellschaft gegenüber. Dennoch lässt "Wet Sand" nicht niedergeschlagen zurück, sondern bietet mit der Selbstermächtigung Moes und Fleschkas auch eine neue Perspektive.
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Mi 3.8., 20 Uhr
The Royal Tenenbaums: Als Royal Tenenbaum (Gene Hackman) aufgrund von Zahlungsunfähigkeit aus dem Hotel, das ihm mehr als 20 Jahre als Unterkunft diente, hinausgeworfen wird, bittet er unter dem Vorwand seines nahen Todes um Wiederaufnahme in das Haus seiner etwas verschrobenen Familie: Der frühere Finanz-Guru Chas (Ben Stiller) lebt seit dem Flugzeugabsturz seiner Frau zurückgezogen im Haus und probt mit seinen Zwillingen - alle drei stets mit rotem Trainingsanzug bekleidet - regelmäßig Feueralarm, der einstige Tennisstar Richie (Luke Wilson) reist über die Weltmeere, Margot (Gwyneth Paltrow) zieht sich tagelang ins Badezimmer zurück und die Mutter möchte wieder heiraten.
Schrill wirkt das, aber trotz der Fülle an Szenen und Einfällen lässt der warme und liebevolle Blick Andersons und des auktorialen Erzählers, der mit seinen Kommentaren die Handlung wie Buchkapitel gliedert, alles fast normal erscheinen. Zu verdanken ist das auch der Selbstverständlichkeit und Leichtigkeit, mit der der Texaner diese Geschichte inszeniert.
Großartig ist aber auch der Soundtrack, bei dem sich Anderson bei den Beatles, Stones, Dylan, Reed ebenso bedient wie bei Eric Satie oder Antonio Vivaldi, doch nie drängt sich die Musik in den Vordergrund, sondern begleitet und stützt wunderbar unauffällig die Handlung.
Getragen wird Andersons meisterhafte Tragikomödie aber von einem Ensemble stoisch agierender SchauspielerInnen, denen in langen Einstellungen Zeit gelassen wird, ihre verschrobenen Figuren zu vielschichtigen Charakteren zu entwickeln.
KUB Open Air, Kunsthaus Bregenz: Mi 3.8., 21.15 Uhr
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