"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Walter Gasperi · 28. Mär 2010 · Film

Aktuell in den Filmclubs (29.3. - 4.4. 2010)

Montags in der Sonne: Entgegen dem Titel verbreitet dieser Film des Spaniers Fernando León de Aranoa keine Urlaubsstimmung. Im Mittelpunkt stehen nämlich drei etwa 50-jährige Männer, die ohne Job da stehen, als ihre Werft in La Coruna schließt, weil in Korea Schiffe billiger produziert werden. Weil sie in ihrem Alter als „schwer vermittelbar“ gelten, landen sie auf dem Abstellgleis der Gesellschaft, hängen in Ricos schummriger Bar herum, trinken, klagen über ihr Los und träumen von einer besseren Zukunft.
Die Sonne strahlt nur in wenigen Szenen vom Himmel, dunkle Blau- und Grautöne dominieren. Trist und hoffnungslos ist die Lage aber mit Humor und Menschlichkeit wird die Tragik immer wieder aufgebrochen. Wärme gewinnt dieser Film durch die von großer Empathie getragene genaue Beobachtung der großartig gespielten Figuren, überzeugende Kraft durch die Echtheit der Dialoge, die stimmigen und atmosphärisch dichten Schauplätze und die detailreiche Schilderung der Situationen. Wie die englischen Sozialrealisten Ken Loach und Mike Leigh versteht es Aranoa, genau hinzusehen und mit dokumentarischem Blick den Alltag einzufangen, bleibt dabei aber nie distanzierter Beobachter, sondern nimmt Anteil am Schicksal seiner Figuren. Zu hoffnungslos ist die Lage, als dass noch kämpferische Töne angeschlagen werden könnten, Menschlichkeit und Freundschaft unter den Underdogs sind in diesem von sanfter Melancholie durchzogenen Drama der einzige Trost und die einzige Stütze, die der Arbeiterklasse, die ihrer Aufgabe beraubt ist, noch geblieben sind.
Kammgarn Hard: Mi, 31.3., 20.30 Uhr


Mary and Max: Sie könnten gegensätzlicher kaum sein: Hier die achtjährige Mary Daisy Dinkle, die mit ihren Eltern in einem Vorort von Melbourne lebt, dort, genauer in New York, der zu Panikattacken neigende 44-jährige jüdische Atheist Max Jerry Horowitz. Durch eine Brieffreundschaft lernen sie sich kennen, begegnen werden sie sich während der 18 Jahre, über die sich die Handlung von Adam Elliots Animationsfilm spannt, nie.
Den Gegensatz betont im Langfilmdebüt des Australiers schon die farbliche Gestaltung, wenn der in Brauntönen getauchten australischen Einfamilienhaussiedlung die ganz in Grau gehaltene Skyline von New York gegenüber gestellt wird. Gemeinsam ist den beiden Protagonisten aber trotz der Gegensätze ihre Einsamkeit und die Sehnsucht nach einem Freund.
Was man dabei freilich mitbekommt, ist die ganze Spannbreite des Lebens, das Komische wie das Tragische, wobei der Film trotz ernster Themen nie schwer wird, sondern letztlich immer das Leben feiert, als dessen zentraler Wert die Freundschaft herausgearbeitet wird. Virtuos hält ein Off-Erzähler die Fülle der Ereignisse wie das schwierige Familienleben Marys bis hin zu ihrer Dissertation in Psychologie oder den Sauberkeitswahn von Max, seinen Lottogewinn oder die Anklage wegen fahrlässiger Tötung zusammen. Nie wirkt das aber sprunghaft, sondern gewinnt in der Fülle und in der Liebe zum Detail und zu den Protagonisten Tiefe.
Dabei entwickelt sich der Detailreichtum gerade aus der farblichen Reduktion. Da stechen eben angesichts des Grau in Grau oder Braun in Braun rote Lippen, eine rote Zunge, ein rotes Haarschüppel oder ein braunes Bild von Mary in der grauen Wohnung von Max umso stärker heraus.
Realer und näher beim Leben als viele Figuren von Realfilmen sind Elliots Knetfiguren, wachsen einem rasch ans Herz und vermögen zu rühren, zum Lachen gleichermaßen wie zum Weinen zu bewegen, weil man in ihnen das allzu Menschliche erkennt – und weil die Liebe des Regisseurs, mit der der Film gemacht wurde, aber auch mit der er auf die von der Natur benachteiligten, verletzlichen Figuren blickt, in jeder Szene spürbar ist.
Takino Schaan: Do, 1.4. – 20.30 Uhr; Fr, 2.4. – Mo, 5.4. – jeweils 18.30 Uhr


Lourdes: Fünf Millionen Besucher zählt der französische Wallfahrtsort jährlich, fast ausschließlich Gläubige, die vielfach auf ein Wunder – welcher Art auch immer hoffen. Die Realität von Lourdes mit Devotionalienhandel und Wallfahrtstreiben ist der Hintergrund für Jessica Hausners Film. Dokumentarisch fängt sie ihn ein und entwickelt im Vordergrund die Geschichte einer Pilgergruppe. Im Mittelpunkt steht die an schwerer Multipler Sklerose leidende Christine (Sylvie Testud). Auf ein Wunder hofft sie eigentlich nicht, ist sie doch nicht wirklich gläubig. Sie hat sich auch nicht aus religiösen Gründen, sondern um unter Menschen zu sein für diese Reise angemeldet. Und doch wird gerade sie – zumindest scheinbar – geheilt.
Karg ist die Inszenierung Hausners, sie verzichtet auf alle Schnörkel und jeden Firlefanz. Keine unnötigen Kamerabewegungen, keine überflüssige Einstellung gibt es hier. Reduziert ist auch die Farbgestaltung – doch gerade diese Reduktion verleiht „Lourdes“ seine Dringlichkeit und Intensität. Mit jeder Szene, mit jedem Dialog werden hier aufs Neue Fragen nach der Möglichkeit von Wundern, nach der Existenz Gottes und seinem Eingreifen in oder nach seiner Gleichgültigkeit gegenüber dieser Welt und letztlich nach dem menschlichen Glücksstreben und dem Sinn des Lebens aufgeworfen. Emotional involviert wird der Zuschauer bei Hausners distanziert und kühl beobachtendem Stil freilich nicht, sondern vielmehr auf sich selbst zurückgeworfen und aufgefordert, die Fragen für sich selbst zu beantworten, denn billige Lösungen verkneift sich die Regisseurin in ihrem vielfach preisgekrönten dritten Spielfilm.
TaSKino Feldkirch im Kino Namenlos: Fr, 2.4. – Do, 8.4.
Kino Madlen, Heerbrugg: Sa, 3.4., 17.15 Uhr + Mo, 5.4., 20.15 Uhr