Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Walter Gasperi · 25. Jul 2010 · Film

Aktuell in den Filmclubs (26.7. - 1.8. 2010)

Maria ihm schmeckt´s nicht: Nichts wie weg heißt es für Jan (Christian Ulmen) nach zwei Wochen Ehevorbereitungen im apulischen Campobello. Gestrichen voll hat er inzwischen die Nase von seiner deutsch-italienischen Fast-Ehefrau Sara (Mina Tander) und deren uritalienischen Familie. Da steht er nun und dreht Runden im Kreisverkehr, bis sein Cabriolet den Geist aufgibt - und eine fast den ganzen Film umspannende Rückblende Aufschluss über die Vorgeschichte gibt.
Beliebt sind solche Erzählklammern, wecken sie beim Zuschauer doch das Interesse zu erfahren, wie es zu diesem Endpunkt kam. Gleichzeitig bieten sie die Möglichkeit problemlos einen Ich-Erzähler einzuführen: Begonnen hat alles in der deutschen Heimat mit dem Hochzeitantrag Saras an Jan, dem Besuch bei ihren Eltern mit deutscher Mutter und italienischem Vater sowie dem Gegenbesuch bei Jans Eltern.
Hinreißend sind diese Szenen in der trockenen Erzählweise und im genauen karikierenden Blick auf Familiensituationen, aber auch im Herausarbeiten von Klischees über Italiener und Deutsche. Verstärkt wird diese Stoßrichtung, als Jan und Sara auf Druck des Schwiegervaters in spe zustimmen nicht in Deutschland standesamtlich, sondern festlich in Apulien zu heiraten.
Da rückt Neele Vollmar in ihrer Verfilmung von Jan Weilers gleichnamigem Bestseller nicht nur die Licht durchflutete apulische Landschaft und ein pittoreskes Städtchen attraktiv ins Bild, sondern fährt mehr noch eine klassische italienische Familie mit zahllosen Verwandten auf, die den Deutschen mit Umarmungen und geradezu beunruhigender Gastfreundschaft mehr verängstigen als erfreuen. Aber auch die deutsche Seite wird durch den Kakao gezogen, wenn der Film Jans Eltern über eine Ajurveda-Kur in der Toskana nach Apulien anreisen lässt.
Wie Jan freilich in Apulien ein Fremder ist, war es sein Schwiegervater Antonio, als er 1975 als Gastarbeiter nach Osnabrück kam. Indem Vollmar einen Perspektivenwechsel vornimmt, Antonio von seinen Erfahrungen in Deutschland und der dortigen Ausländerfeindlichkeit erzählen lässt, bietet er Einblick in die andere Sicht seiner Heimat.
Da wird kaum einmal zu dick aufgetragen. Vielmehr deckt Vollmar überzeugend, aber nie bissig die unterschiedlichen Klischeevorstellungen auf. Nicht abgerechnet und gewertet wird hier, sondern ganz einfach, getragen von einer großen Liebe zu allen Figuren, gezeigt, wie die Eigenheiten einer Region und Kultur den Menschen prägen. – Schwungvoll inszeniert und lustvoll gespielt entwickelt sich so eine durch und durch sympathische Komödie.
Marktplatz Rankweil (Open-Air-Kino; bei Schlechtwetter im Alten Kino): Mi, 28.7., 21.30 Uhr


Shutter Island: Männer, die schuldig werden, und die sich von ihrer Schuld nicht befreien können, standen schon immer im Zentrum des Katholiken Martin Scorsese. Nicht anders ist das bei seiner Verfilmung von Denis Lehanes Psychothriller, aber gleichzeitig ist das natürlich auch eine wilde und bildgewaltige Reise durch die Filmgeschichte, zu der der filmbesessene Meisterregisseur hier ausholt.
Nichts Gutes ist zu erwarten, wenn sich der von Leonardo DiCaprio gespielte Cop Teddy Marshal am Beginn des 1954 spielenden Films bei der Überfahrt zu einer Insel, auf der sich nur eine Anstalt für geistig abnorme Verbrecher befindet, förmlich die Seele aus dem Leib kotzt. Bald zieht dann auch ein schwerer Sturm auf und eingezwängt zwischen den engen Gängen wirkt der von Kriegserlebnissen und Familiengeschichte schwer traumatisierte Cop. Zunehmend verschwimmen nicht nur für ihn, sondern auch für den Zuschauer die Grenzen zwischen Realität und Alptraum, bis sich am Ende doch alles klärt.
KZ-Erfahrungen und Kalter Krieg mit Atombomben- und amerikanischer Kommunistenangst vermengt Scorsese mit familiärem Horror zu einem grandiosen Trip, der nicht nur in die Filmgeschichte von Robert Wienes „Das Cabinet des Dr. Caligari“ über Otto Premingers „Laura“ und Alfred Hitchcocks „Vertigo“ bis zu Sam Fullers „Shock Corridor“ führt, sondern auch in die Abgründe der menschlichen Psyche. Angesichts der fulminanten filmischen Instrumentierung mit grandiosem Setting von Dante Ferretti, irrlichtern-düsteren Bildern von Robert Richardson und einem meisterhaften Soundtrack von Robbie Robertson entwickelt sich so im Gewand eines Thrillers ein beklemmender Diskurs über die condicio humana, bei der Paradies und Hölle nah beieinander liegen.
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Mi, 28.7., 20 Uhr; Fr, 30.7., 22 Uhr