Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Walter Gasperi · 23. Sep 2021 · Film

Aktuell in den Filmclubs (24.9. - 30.9. 2021)

Am Spielboden Dornbirn läuft diese Woche nochmals Kelly Reichardts wunderbar entschleunigter (Anti)Western "First Cow". Das Filmforum Bregenz zeigt mit dem Dokumentarfilm "Taste the Waste" ein Plädoyer gegen Verschwendung und Wegwerfkultur.

First Cow: Wie ihren ersten Western "Meek´s Cutoff" hat Kelly Reichardt auch ihren Anfang des 19. Jahrhunderts spielenden "First Cow" im engen 4:3-Format gedreht und lässt damit nie das Gefühl von Weite aufkommen, das sonst dieses Genre prägt. Wieder ist Oregon der Schauplatz, doch während in "Meek´s Cutoff" Frauen im Zentrum standen, kommen diese bei dieser Verfilmung eines Romans von Jonathan Raymond nur im kurzen Prolog und in einer kleinen Szene vor, davon abgesehen ist dies ein reiner Männerfilm.
Statt in der Prärie spielt "First Cow" zudem in den Wäldern, in denen der Koch Figowitz beim Sammeln von Pilzen auf einen nackten Chinesen stößt, der von Russen verfolgt wird. Figowitz versteckt diesen King Lu, doch bald trennen sich ihre Wege, bis sie sich in einer kleinen Siedlung wieder begegnen. Langsam entwickelt sich nun eine Freundschaft, auf die schon das dem Film vorangestellte Zitat von William Blake verwies: "Dem Vogel ein Nest, der Spinne ein Netz, dem Menschen die Freundschaft."
Weder Helden noch Duelle gibt es hier, sondern aufreizend viel Zeit lässt sich Reichardt für die Schilderung von Tätigkeiten, die man sonst im Western noch nie gesehen hat vom Sammeln von Beeren und Nüssen über das Fegen einer Hütte und das Aufstellen eines Blumenstraußes bis zum Backen von Milchbrötchen, die in der Siedlung bald reißenden Absatz finden. Die Milch dafür erhalten Figowitz und King Lu allerdings dadurch, dass sie heimlich nachts die titelgebende erste Kuh in dieser Gegend melken.
Nicht nur in der Fokussierung auf Randfiguren des klassischen Western, sondern mehr noch mit seiner kleinen Geschichte, seiner Liebe zu Details und im wunderbar entspannten und entschleunigten Erzähltempo steht dieser Film so quer zu allem, was man sonst im Kino sieht, dass man "First Cow" einfach lieben muss.
Spielboden Dornbirn: Sa 25.9., 19.30 Uhr

Taste the Waste: „45 Kilo Lebensmittel wirft jeder Discounter täglich weg“, „90 Millionen Tonnen Lebensmittel werden jährlich in der EU weggeworfen“ und „Mit dem Weggeworfenen könnten die vom Hunger gequälten Regionen satt werden – und zwar dreimal“. Das sind drei markante Sätze aus den wenigen Inserts von Valentin Thurns „Taste the Waste“, die auf den Punkt bringen, was in 90 Minuten plastisch in Bildern und Interviews herausgearbeitet wird.
Praktisch um die Welt spannt der deutsche Dokumentarfilmer den Bogen. Auf Wiener Mülltaucher, die von dem leben, was sie in Abfallcontainern finden, blickt er ebenso, wie auf Supermärkte in Deutschland und Japan, in denen die Waren vor Ablaufdatum entsorgt werden, um neuer Ware Platz zu machen. Tonnenweise werden auf einem Markt in Paris täglich Orangen entsorgt, rund die Hälfte der Kartoffeln bleibt auf den Äckern liegen, weil zu große, zu kleine oder makelhafte nicht geerntet werden.
Dennoch verbreitet „Taste the Waste“ nicht Hoffnungslosigkeit, sondern stellt auch Projekte vor, die ein Umdenken dokumentieren. Auch hier sind die Beispiele weit gestreut und reichen vom Großbäcker, der Energie spart, indem er entsorgtes Brot den Pellets beimischt, über Bienenzüchter, die auf den Hochhäusern von New York City ihre Waben ausstellen, bis zum Leiter eines Last Minute Markets in Turin, der 1000 Menschen mit Produkten speist, die aus Supermärkten schon entfernt wurden. Sichtbar wird am letzten Beispiel, dass man auf den Überfluss der Wegwerfgesellschaft verzichten könnte, denn genießen kann man auch, wenn man genügsam ist.
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Mi 29.9., 20 Uhr

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