Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Walter Gasperi · 19. Sep 2010 · Film

Aktuell in den Filmclubs (20.9. - 26.9. 2010)

I Love You Phillipp Morris: „Schwul sein ist teuer!“ stellt Steven Russell nach Entdecken seiner Homosexualität rasch fest. Um sich und seinem Geliebten ein Leben in Luxus leisten zu können, entwickelt er sich in diesem etwas unentschlossen zwischen Komödie und Liebesfilm schwankenden Biopic deshalb zum genialen Hochstapler und Trickbetrüger.
Weil das, was hier erzählt wird, so irrwitzig ist, muss gleich zu Beginn mehrfach bekräftigt werden, dass diese Geschichte auf Tatsachen beruht. Hoch ist das Erzähltempo am Beginn, wenn Steven Russell mit Voice-over seine Biographie bis zum schwulen Coming-Out zusammenfasst. Temporeich geht es auch weiter, allerdings können sich John Requas und Glenn Ficarra nicht so richtig entscheiden, ob sie das Ganze als großen romantischen Liebesfilm anlegen wollen, der sich von konventionellen Liebesfilmen nur dadurch unterscheidet, dass das Paar schwul ist, oder aber als schrille Komödie. Ein hinreissendes Paar sind freilich John Carrey und Ewan McGregor, die mit ihrer lustvollen Verkörperung der schwulen Rollen auch viel Mut beweisen. – Da sieht man auch über das Fehlen eines zwingenden dramaturgischen Aufbaus und das Schwinden des gesellschaftskritischen Bisses nach fulminantem Beginn hinweg.
TaSKino Feldkirch im Kino Namenlos: bis Do 23.9.


Unser täglich Brot: Frontal erfasst die Kamera ein gelbes Flugzeug im Anflug auf ein leuchtendes Sonnenblumenfeld. Je näher die Maschine kommt, desto mehr schwillt das Motorengedröhn an. Unmittelbar vor der Kamera sprüht das Flugzeug einen weißen Nebel über das Feld und damit indirekt auch über den Zuschauer.
Eine genau kadrierte, symmetrische Plansequenz reicht Nikolaus Geyrhalter, um Einblick in moderne Düngemethoden zu bieten. In gleicher Weise verfährt der österreichische Dokumentarfilmer bei der Schilderung der Olivenernte, wenn ein Traktor mit einem gewaltigen Greifarm den Baumstamm umfasst und ihn schüttelt, bis alle Oliven gefallen sind. Oder wenn ein Traktor auf einem Gemüsefeld zum Düngen Stahlarme von enormer Spannweite ausfährt.
Monolithisch ordnet Nikolaus Geyrhalter vielfach solche grandiosen Tableaus aneinander. Zu einer Geschichte fügen sie sich nicht, weder kausal noch chronologisch sind die Szenen miteinander verbunden. Auf den ersten Blick wird der Zuschauer dabei nicht manipuliert, wird nicht wie bei Erwin Wagenhofers „We feed the World“ mit Informationen gefüttert, sondern bleibt distanzierter Beobachter, den die kommentarlosen und scheinbar neutralen Einstellungen zum Nachdenken anregen sollen. Doch Neutralität ist auch im Dokumentarfilm eine Illusion. Allein im insistierenden Blick und der quälenden Länge, mit der Geyrhalter das Schlachten von Rindern, das Sortieren von Kücken, die Schweinemast oder Geflügelfarmen zeigt, wird schon Kritik an Massentierhaltung und Verdinglichung des Tiers geübt. – Die gewaltigen, weder zeitlich noch örtlich durch Inserts verankerten Bilder sprechen für sich und fügen sich zum Gesamtbild der modernen Nahrungsmittelproduktion. Maschinen sind hier wichtiger als Menschen und die wenigen, die noch in diesen Betrieben arbeiten, werden durch ihre Arbeit selbst fast zur Maschine degradiert. Wie ein Roboter vollführen sie mechanisch die stets gleichen Handgriffe, hacken Schweinshaxen ab, zersägen tote Kälber oder pflücken Tomaten. – Entfremdete Arbeit im reinsten Sinne wird hier verrichtet und an die Stelle des „Unser tägliches Brot, gib uns heute“ im „Vater unser“ ist ein „Unser täglich Brot machen wir uns selbst“ getreten. Auf der Strecke geblieben ist dabei jegliche Achtung vor der Natur und dem Lebewesen. Der Effizienz der möglichst billigen Massenproduktion muss sich alles unterordnen.
Meisterhaft fängt Geyrhalter diese Maschinisierung, die Kälte und Emotionslosigkeit dieser Produktionsweise ein. Die Monotonie und das Repetitive der Produktion spiegeln sich kongenial in der radikalen filmischen Form. Diese hat aber auch zur Folge, dass „Unser täglich Brot“ dazu tendiert den Zuschauer auf die Dauer zu ermüden.
Artenne, Nenzing: Do, 23.9., 19.30 Uhr