Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Walter Gasperi · 17. Mär 2022 · Film

Aktuell in den Filmclubs (18.3. - 24.3. 2022)

Im Filmforum Bregenz steht diese Woche mit „Die Ballade von der weißen Kuh" klassisches iranisches Kino um Fragen von Schuld und Vergebung auf dem Programm. Der Filmkulturclub Dornbirn bietet dagegen mit dem schwedischen Langfilmdebüt „Pleasure" Einblick in die Mechanismen der Porno-Branche.

Die Ballade von der weißen Kuh: Die iranische Fabrikarbeiterin Mina muss sich nach der Hinrichtung ihres Mannes allein mit ihrer siebenjährigen Tochter durchschlagen. Doch dann steht ein Mann vor der Wohnung, der sich als Freund des Verstorbenen vorstellt.
Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha entwickeln die Handlung weitgehend in langen statischen und sorgfältig kadrierten Halbtotalen. Keine Schuss-Gegenschuss-Strategie wird eingesetzt, um den Zuschauer ins Geschehen zu involvieren, sondern auf Distanz wird man gehalten. Zeit lassen diese langen Einstellungen sowohl den Schauspieler:innen als auch dem Publikum und vermitteln in der Positionierung der Figuren auch immer wieder deren Distanz und Trennung.
Gleichzeitig lassen die statischen Einstellungen auch spüren, wie Mina in dieser Gesellschaft gefangen ist und kaum Spielraum hat. Verstärkt wird die langsame und leise Erzählweise durch den Verzicht von Musik, die erst kurz vor Ende einsetzt. Emotionen sollen nicht künstlich aufgebauscht werden.
Die Todesstrafe, um die es zuletzt auch in den iranischen Filmen „Denn das Böse gibt es nicht" und „Yalda" ging, sind dabei nur am Rande ein Thema. Kritik wird daran zwar geübt, wenn selbst ein Fehlurteil damit entschuldigt wird, dass dies dann wohl Gottes Wille war, im Zentrum aber steht Minas Überlebenskampf.
An diesem deckt das Regie-Duo – auch das kein neues Thema im iranischen Film – die vielfältige Diskriminierung der Frau auf. So beansprucht der Vater des Hingerichteten das Sorgerecht für die gehörlose Enkelin und der Vermieter wirft die alleinerziehende Mutter aus der Wohnung, als sie mit Reza einen angeblichen Bekannten ihres Mannes in ihre Wohnung lässt. Der Makler wiederum erklärt ihr unumwunden, dass es für alleinstehende, geschiedene oder verwitwete Frauen kaum Wohnungen gebe. Gleichzeitig wird Einblick in die langwierige undurchschaubare Bürokratie geboten, bei der die Antragstellerin ständig an neue Stellen verwiesen und hingehalten wird.
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Mi 23.3., 20 Uhr

Pleasure: „Business or Pleasure" wird die 19-jährige Schwedin Linnéa (Sofia Kappel) bei der Zollabfertigung in Los Angeles über den Grund ihres Aufenthalts befragt. Ohne zu zögern, antwortet die junge Frau „pleasure" und tatsächlich sind es Abenteuerlust und Sehnsucht nach neuen Erfahrungen, die sie in die USA getrieben haben. Bella Cherry nennt sie sich nach einem Schriftzug eines ihrer 25 Tattoos nun und erklärt, dass sie Lust darauf habe zu ficken. Wenig mit Lust und Vergnügen hat aber das zu tun, was sie bald bei ihrem Versuch erlebt, in der Pornoindustrie Karriere zu machen.
Mit vollem Körpereinsatz spielt Sofia Kappel diese junge Frau, vermittelt ihre Entschlossenheit ebenso wie ihre Zerbrechlichkeit, wenn sie schließlich verzweifelt die Mutter anruft. Diese weiß freilich nichts vom Job der Tochter, glaubt, dass sie ein gewöhnliches Praktikum absolviere und fordert sie auf durchzuhalten, denn es gebe nun mal schwierige Phasen, die man durchstehen müsse.
Harter Stoff ist dieser Film, denn Regisseurin Ninja Thyberg spart nichts aus, schaut kompromisslos und unerbittlich hin und deckt die Demütigungen und die Unterdrückung der Frauen in diesem Metier konsequent auf.
Schon 2013 hat sie einen Kurzfilm „Pleasure" zu dem Thema gedreht, den sie nun für ihr Langfilmdebüt ausgebaut hat. Große Dichte und Durchschlagskraft gewinnt „Pleasure" dabei durch seine Authentizität, deren Grundlage lange Recherchen und genaue Kenntnis der Branche sind.
Nicht nur die Settings sind hier echt, sondern auch die Figuren, denn nur Sofia Kappel ist eine echte Schauspielerin. Alle anderen Mitwirkenden sind dagegen reale Mitglieder der Porno-Branche und spielen teilweise - wie zum Beispiel der Agent Mark Spiegler - sich selbst.
Filmkulturclub Dornbirn im Cinema Dornbirn: Mi 23.3., 18 Uhr + Do 24.3., 19.30 Uhr
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Do 31.3., 20 Uhr


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