Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Walter Gasperi · 17. Feb 2022 · Film

Aktuell in den Filmclubs (18.2. - 24.2. 2022)

Das Filmforum Bregenz zeigt diese Woche unter anderem die serbische Satire "Nebesa – Der Schein trügt". In der Kammgarn Hard steht der Dokumentarfilm "Janis – Little Girl Blue" auf dem Programm, in dem Amy Berg mit einer Fülle an Archivmaterial und Interviews das Leben der Rocklegende Janis Joplin nachzeichnet.

Nebesa – Der Schein trügt: In drei 1993, 2001 und 2026 spielenden Kapiteln erzählt Srdan Dragojevic, der sich von französischen Kurzgeschichten aus den 1930er Jahren inspirieren ließ, am Beispiel einer Familie von den Entwicklungen im postkommunistischen Serbien. Lebt Protagonistin Stojan mit Frau und Tochter im ersten Kapitel noch als Arbeitsloser während des Jugoslawienkriegs in einer tristen Barackensiedlung, so wird er in den folgenden Kapiteln zum Gefängnisdirektor und schließlich zum Minister aufsteigen.
Mit diesem sozialen Aufstieg korrespondiert aber auch eine moralische Wandlung. Ist Stojan nämlich zunächst ein einfacher, aber herzensguter Mann, so setzt mit einem Stromschlag, durch den er einen Heiligenschein erhält, eine Veränderung ein. Verdeckt er den unliebsamen Begleiter, der nie als Gabe, sondern immer als Fluch erscheint, zunächst unter einer Pelzkappe, so will er ihn bald loswerden. Doch das ist alles andere als einfach
Vor allem im ersten Abschnitt ist das atmosphärisch dicht und schwungvoll inszeniert, wartet mit markant gezeichneten und mit Verve gespielten Figuren auf und besticht mit Lust am deftigen und auch schwarzen Humor. Gegen diesen starken Auftakt fallen die beiden folgenden Kapitel doch etwas ab, aber mit seinem Einfallsreichtum wie dem plötzlichen Rückfall eines Erwachsenen in den Babystatus oder Kunstwerken, die durch ihre Betrachtung sättigende Wirkung haben, und seiner Fabulierfreude bietet "Nebesa" doch auch hier saftige Kinounterhaltung.
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Mi 23.2., 20 Uhr

Janis – Little Girl Blue: Nur kurz währte die Karriere von Janis Joplin: In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre stieg sie mit ihrer schrillen Stimme zur Ikone der Rockmusik und der Hippie-Bewegung auf, starb aber schon 1970 im Alter von 27 an einer Überdosis Heroin.
Die Dokumentarfilmerin Amy Berg zeichnet chronologisch das Leben der 1943 im texanischen Port Arthur geborenen Rockikone nach. Durch die Verwendung einer Fülle von teilweise privatem Archivmaterial bietet Berg dabei nicht nur einen Einblick in das Leben dieser „größten weißen Blues-Sängerin“, sondern vermittelt auch mitreißend die Stimmung dieser Zeit der rebellierenden Jugend.
Ganz ausgespart bleibt freilich der gesellschaftlich-historische Kontext. Der Fokus liegt ganz auf Joplin. Unsichtbar bleiben eine repressive Gesellschaft und der Vietnamkrieg als Gegenpole zur Sängerin. Ahnen lässt der Film aber auf jeden Fall, wie sehr sie zum Vorbild speziell für Frauen wurde, wie wesentlich sie mit ihrem Auftreten und ihrem Lebensstil deren Selbstbewusstsein stärkte und zu deren Befreiung beitrug.
Größte Bewunderung verdient, wie Berg das immense Archivmaterial, das freilich kaum visuellen Augenschmaus bietet, sondern gerade durch die Grobkörnigkeit und Unschärfe auch ein Gefühl für die Zeit weckt, in siebenjähriger Arbeit aufgearbeitet und arrangiert hat. Ungemein faktenreich – fast schon übervoll – zeichnet sie mit dieser Found Footage und Interviews mit Wegbegleiter*innen sowie Joplins jüngeren Geschwistern das Leben dieser Rocklegende nach, lässt aber auch die Popmusikerin Chan Marshall alias Cat Power als Erzählerin Joplins Briefe an ihre Familie aus dem Off rezitieren und bietet so auch Einblick in deren unstillbare Sehnsucht nach Liebe und ihre Einsamkeit.
Kammgarn Hard: Mi 23.2., 20.30 Uhr


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