Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Walter Gasperi · 16. Okt 2011 · Film

Aktuell in den Filmclubs (17.10. - 23.10. 2011)

Eine Literaturverfilmung und ein poetischer Dokumentarfilm über das Sterben einer jungen Frau gibt es diese Woche abseits des Kommerzkinos zu sehen. Die Verfilmung von Bernhard Schlinks „Der Vorleser“ wird in der Bücherei Hohenems gezeigt, während im Takino Schaan Res Balzlis bewegender Dokumentarfilm „Bouton“ läuft, der vom Sterben erzählt, aber dabei das Leben feiert.

Der Vorleser: In den späten 1990er Jahren erinnert sich der Staatsanwalt Michael Berg an sein Leben, das ganz geprägt war von seiner Beziehung zu der rund 20 Jahre älteren Hanna Schmitz: In den 50er Jahren wurde sie zu seiner ersten großen Liebe und eine leidenschaftliche Affäre entwickelte sich. Nicht nur um Sex ging es dabei, sondern die Geliebte verlangte von dem damals 15-jährigen Gymnasiasten auch, dass er ihr zahlreiche Klassiker der Weltliteratur vorliest. Plötzlich verschwand aber Hanna aus Michaels Leben, bis er sie etwa zehn Jahre später als Jus-Student beim Besuch eines Kriegsverbrecherprozesses auf der Anklagebank sieht.
Stephen Daldry hält sich bei seiner Verfilmung von Bernhard Schlinks Roman inhaltlich ziemlich genau an die Vorlage, verschiebt aber die Akzente und auch die Tonlage. Denn während der gelernte Anwalt Schlink sachlich und nüchtern anhand der individuellen Geschichte grundsätzlich vom schwierigen Umgang der deutschen Nachkriegsgeneration mit dem Nationalsozialismus, mit Schuld und dem Umgang mit den Schuldigen, zu denen doch auch die Vätergeneration gehörte, erzählt und damit das Thema des Analpabetismus verknüpft, fokussiert Daldry, nicht zuletzt durch eine penetrante Musiksauce unterstrichen, stärker auf der Liebesgeschichte, forciert das Melodram und drängt die historisch-moralischen Fragen zugunsten, vor allem gegen Ende hin tränendrückender Emotionen in den Hintergrund.
Eindrücklich gespielt ist das zweifellos von der mit dem Oscar ausgezeichneten Kate Winslet als Hanna, während David Kross als der junge Michael Berg blass bleibt, und durchaus gediegen, aber eben auch sehr bieder und ohne eigenen Interpretationsansatz inszeniert. Da nie eine persönliche Motivation oder gar Handschrift des Regisseurs spürbar wird, bleibt letztlich doch nur die zwar kunstvolle, aber überflüssige Bebilderung des Romans.
Bücherei Hohenems: Do 20.10., 19.30 Uhr


Bouton: Tieftraurig ist die Geschichte, die Res Balzli in seinem Dokumentarfilm „Bouton“ erzählt. Der Schweizer Filmemacher begleitet die 33jährige Puppenspielerin Johana Bory durch ihre letzten Lebensmonate. Gegen die Ordnung der Natur mag es sein, dass ein junger Mensch stirbt, wie Johana feststellt, dennoch kann sie dem Tod nicht entkommen, denn sie hat Krebs. Bewegend sind die Szenen, wenn sie mit ihrer hinreißenden Puppe Bouton spricht, wenn sie vom Lachen und vom Genießen des Lebens erzählt und davon, dass sie gerade durch die Krankheit gelernt hat, das Leben intensiver zu erfahren, nie größere Freude am Puppenspiel empfand, nie liebevoller der Umgang mit ihrem Lebenspartner war. Das Beglückende eines Puppenspiels, das Kinder zum Lachen bringt, wechselt hier mit den Schmerzen, die die Krankheit bereitet, die Lebensfreude mit Verzweiflung und Todesnähe.
Nie kommt hier trotz der Nähe und der Intimität der Schilderung der Gedanke an Voyeurismus auf, mitfühlend und geduldig ist Balzlis Blick. Man spürt das unbedingte Vertrauensverhältnis zwischen ihm und der Porträtierten. In diesem Blick gewinnt diese auf jeden Kommentar verzichtende poetische filmische Begleitung, die zwischen Inszenierung und Dokumentation oszilliert, eine wunderbare Balance von tieftraurig und komisch, die zutiefst berührt und trotz des Todes nicht deprimiert, sondern letztlich zur Feier des Lebens wird und zur Aufforderung dieses intensiver und bewusster zu genießen.
Takino Schaan: Do, 20.10.; Sa 22.10.; So, 23.10. – jeweils 18.30 Uhr