Ethan Coen hat seinen ersten Spielfilm als Soloregisseur gedreht: „Drive-Away Dolls“. (Foto: Focus Features)
Walter Gasperi · 16. Jul 2020 · Film

Aktuell in den Filmclubs (17.7. - 23.7. 2020)

Sommerzeit ist Open-Air-Zeit: Nicht nur beim Gasthof Jöslar in Andelsbuch wird dabei mit Alfred Hitchcocks "The Lodger – Der Mieter" ein Meisterwerk des Stummfilms gezeigt, sondern auch das KUB Open-Air in Bregenz startet mit Charlie Chaplins "City Lights" mit einem zeitlosen stummen Klassiker.

The Lodger – Der Mieter: Alfred Hitchcock selbst bezeichnete seinen 1927 entstandenen Stummfilm, den bei der Vorführung in Andelsbuch Benny Omerzell musikalisch begleiten wird, als "ersten echten Hitchcock-Film". Einerseits verarbeitet der Master of Suspense hier den Jack-the-Ripper-Mythos, andererseits findet sich mit dem Unschuldigen, der eines Verbrechens verdächtigt wird, ein Thema, das sich durch das Werk des 1899 geborenen Briten zieht.
Im Mittelpunkt des in London spielenden Thrillers steht ein schüchterner Mieter, der bald eines Serienmordes verdächtigt und schließlich von einer aufgebrachten Meute gejagt wird.
Mit stringenter Handlungsführung erzeugt Hitchcock durchgängig Spannung und beschwört durch einfallsreiche Lichtdramaturgie eine beunruhigende Atmosphäre. Am berühmtesten ist aber zweifellos die Szene, in der er die nervenden Schritte, die die Vermieterin in der darüber liegenden Wohnung hört, durch Verwendung eines Glasfußbodens sichtbar machte.
Open Air: Gasthof Jöslar, Andelsbuch: Sa 18.7., ca. 21.30 Uhr


City Lights:
Auch fast 90 Jahre nach seiner Premiere hat Charlie Chaplins großes Melodram über den Tramp, der sich in ein blindes Blumenmädchen verliebt, nichts von seiner Magie und seinem Reiz sowie seiner bitteren Gesellschaftskritik verloren.
Der Tonfilm war 1931 schon erfunden, doch Chaplin verzichtete immer noch – und wird es noch zehn weitere Jahre tun - auf das gesprochene Wort, vertraute auf die Bildsprache und lässt wie als Hohn auf die neue Erfindung Redner nur unverständliche Laute von sich geben und den Tramp nur durch eine verschluckte Pfeife "sprechen". Die Reduktion ermöglicht die Konzentration auf die Bilder, ihren Rhythmus und die Poesie, die hier durch nichts gestört wird.
Chaplins Filme entstehen nicht wie die Eisensteins in der Postproduktion am Schneidetisch, sondern sie entstehen direkt vor der Kamera. In langen Einstellungen filmt er das Geschehen, schneidet nur, wenn es nötig ist, verzichtet auch auf spektakuläre Kamerabewegungen. Schauspieler und Details gewinnen so an Gewicht, sie müssen die Szenen füllen.
Mühelos gelingt das Chaplin freilich, wenn sich vor einem Schaufenster ein unbewusstes, aber für den Zuschauer beglückendes Spiel mit der Hebebühne eines Straßenarbeiters entwickelt, wenn der Tramp den tödlichen Sprung eines Millionärs ins Hafenbecken verhindern will oder sich in einem Umkleideraum auf einen Boxkampf vorbereitet und seine Angst immer größer wird.
Filmische Trouvaillen sind solche Szenen, doch nie sind sie Selbstzweck, sondern ordnen sich immer der Handlung unter, die trotz aller Märchenhaftigkeit immer sozial präzise verankert ist und scharfe Kritik an Klassenunterschieden nicht vermissen lässt.
KUB-Open-Air, Kunsthaus Bregenz: Mi 21.7., 21 Uhr


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