Uraufführung des Stückes „Stromberger oder Bilder von allem“ im Vorarlberger Landestheater (Foto: Anja Köhler)
Peter Füssl · 15. Jul 2020 · CD-Tipp

Marcin Wasilewski Trio & Joe Lovano: Arctic Riff

Obwohl sie erst Mitte vierzig sind, spielen Pianist Marcin Wasilewski, Kontrabassist Slawomir Kurkiewicz und Drummer Michal Miskiewicz schon seit 27 Jahren im selben Trio, das um die Jahrtausendwende dank ihres Engagements beim legendären Tomasz Stanko und damit verbunden beim ECM-Label einen enormen Popularitätsschub erlebte. Mittlerweile haben sie ein Dutzend Alben veröffentlicht, die Hälfte davon bei den Münchnern, aber so etwas wie Routine oder künstlerisches Sicherheitsdenken liegt den drei Polen völlig fern. Vielmehr scheinen sie jedes Album mit ungebrochenem Elan und unerschöpflicher Experimentierlust anzugehen und sich gerne auch einmal passende Partner für ihre musikalischen Abenteuer zu holen. Mit dem kraftvoll-expressiven Tenorsaxophonisten Joe Lovano haben sie einen absoluten Glücksgriff getan, denn der Amerikaner verfügt wie die Polen über ein enorm breites stilistisches Spektrum, kann sich genüsslich an wunderschönen Melodien delektieren, fintenreich mit Ecken und Kanten Versehenem musikalische Brillanz verleihen und in spontanen Improvisationen einen höchst einfallsreichen und wendigen Kommunikationspartner abgeben.

. Die bis zu neun Minuten langen Stücke, darunter vier äußerst spannende Kollektivimprovisationen, bieten allen Beteiligten viel Raum zur Entfaltung. Wasilewski steuert vier neue Kompositionen bei, das wunderschöne, impressionistisch anmutende „Glimmer of Hope“ mit seinen stimmungsvollen Pianoläufen und Lovanos schmachtenden Saxophonseufzern gleich als Opener. Auch „Old Hat“ und „Fading Sorrow“ schwelgen in farbenreichen Balladentönen, letzteres glänzt mit einem kraftvoll-eleganten Basssolo. Und das quicklebendig-nervöse „L’Amour Fou“ weist die titelgerechte Schräglage auf. Weit freier geht Joe Lovano seine eigens für dieses Quartett geschriebene Komposition „On The Other Side“ an und lässt die musikalischen Ideen frei fließen, die von den Mitmusikern gerne aufgenommen und kreativ umgesetzt werden. Carla Bleys „Vashkar“ wird als einzige Fremdkomposition des Albums in gleich zwei Varianten präsentiert – für Joe Lovano Altbekanntes in einem neuen Gewand, denn er hat das Stück bereits in den 1980-ern in Bleys Band und mit Charlie Haden’s Liberation Music Orchestra gespielt – das Trio verpasst dem modernen Klassiker aber durchaus ungewohnte Facetten, die auch den Amerikaner überrascht haben dürften. Naturgemäß neigen Klavier und Tenorsaxophon dazu, im musikalischen Geschehen dominante Positionen einzunehmen, zumal Wasilewski und Lovano absolute Meister ihres Faches sind, aber es lohnt sich wirklich, sich das Album auch einmal ganz bewusst mit voller Konzentration auf Bassist Slawomir Kurkiewicz und Drummer Michal Miskiewicz anzuhören. Zwei sensationelle Musiker, die weit mehr als phantastische Sidemen sind und dieses transatlantische Gipfeltreffen mit unschätzbaren Impulsen und ihrem außergewöhnlich kreativen Einfühlungsvermögen permanent vorantreiben.

(ECM/Vertrieb: www.lotusrecords.at / digital: www.universalmusic.at )