Neu in den Kinos: „Ein kleines Stück vom Kuchen“ (Foto: Alamode)
Walter Gasperi · 15. Apr 2021 · Film

Aktuell in den Filmclubs (16.4. - 22.4. 2021)

Der FKC Dornbirn zeigt diese Woche mit "Corpus Christi" ein vielfach preisgekröntes, mitreißendes Drama um Schuld und Vergebung. Am Spielboden Dornbirn läuft dagegen der Dokumentarfilm "Davos", der vor dem Hintergrund des Weltwirtschaftsforums am Beispiel des Schweizer Kurorts die Zerrissenheit der modernen Welt sichtbar macht.

Davos: Daniel Hoesl und Julia Niemann schildern mit kommentarlosen Momentaufnahmen den Alltag im Schweizer Kurort Davos vor dem Hintergrund des Weltwirtschaftsforums. Traditionelle bäuerliche Lebensweise und moderne Wirtschaft treffen so in den Szenen ebenso ständig aufeinander wie mit High Society und randständigen Gruppen die Parallelität und Gleichzeitigkeit gegensätzlicher Gruppen.
Wie Pausen stellen Hoesl und Niemann, die vom Januar 2018 bis Mai 2019 in Davos drehten, immer wieder Landschaftsaufnahmen und Stadtansichten zwischen diese Szenen. Kein Wort ist dabei nötig, sondern die Bilder sprechen für sich, wenn sich die Geschäfte während des WEF verwandeln und aufgemotzt werden, danach diese Fassade aber wieder abgenommen wird.
Wie es zwischen Bauernfamilie, Manager, Asylantenheim und Reinigungskräften keine Verbindungen gibt, so sind auch bei den Geschäften Alltag und WEF zwei Phasen, zwischen denen es keine Berührungspunkte gibt. Allein durch die kühle Beobachtung und die präzise Bildsprache, die an die Filme von Nikolaus Geyrhalter erinnern, sowie die perfekte Montage der Szenen zeichnen Hoesl / Niemann so auf dem engen Raum von Davos sukzessive dichter und klarer das Bild einer zerrissenen Welt, in der jede Verbindung zwischen den politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträgern und der durchschnittlichen Bevölkerung und den Randständigen völlig abgeschnitten ist.
Gerade dadurch dass sich die Filmemacher dabei auf die Beobachterposition zurückziehen und das Urteil dem Zuschauer überlassen, regt dieser Dokumentarfilm, der auch durch seine formale Geschlossenheit und Konzentriertheit beeindruckt, zum Nachdenken an und wirkt lange nach.
Spielboden Dornbirn: Sa 17.4., 17 Uhr

Corpus Christi: Der junge Ex-Häftling Daniel, der zur Resozialisierung in die polnische Provinz geschickt wird, gibt sich in einem Dorf als Priester aus und konfrontiert die Menschen schonungslos mit ihren Fehlern.
Der Ausgangspunkt des Films, der auf der wahren Geschichte des 19-jährigen Patryk Błędowskis beruht, der sich 2011 drei Monate lang als Priester ausgab und Messen las, mag Potential für eine Komödie im Stil von Carl Zuckmayers "Der Hauptmann von Köpenick" haben und kurze Moment trockenen Humors fehlen auch nicht. Im Kern ist "Corpus Christi", dessen Originaltitel übersetzt das Fronleichnams-Fest bezeichnet, aber ein ungemein dichtes und vielschichtiges Drama.
Da wird einerseits die Amtskirche mit ihrem Regelwerk kritisiert und ihr wahres Christentum, das sich vor allem durch tiefe Menschlichkeit auszeichnet, gegenübergestellt. Andererseits arbeiten Regisseur Jan Komasa und Drehbuchautor Mateusz Pacewicz bestechend die Ambivalenz des Menschen heraus. Die konsequente Gestaltung wirft den Zuschauer in dieses irdische Fegefeuer, in dem Trauer Hass auslöste und erst Vergebung ein menschliches Zusammenleben möglich macht. Nicht oder nicht nur übers klassische Gebet führt hier freilich der Weg zur Erlösung, sondern auch über eine Schreitherapie.
Bunter wird der zunächst in schmutzige, grünstichige Farben getauchte "Corpus Christi" damit zwar langsam, aber zum klassischen Happy End führt das dennoch nicht, denn im verstörenden Finale, das wiederum in blasse und kalte Farben getaucht ist, machen Komasa / Pacewicz in einer drastischen und brutalen Szene nochmals die Macht des menschlichen Aggressionstriebs und Rachedursts deutlich. Dennoch lässt das Schlussbild auf einen Ausweg hoffen.
FKC Dornbirn im Cinema Dornbirn: Mi 21.4. + Do 22.4. – jeweils 17.30 Uhr

Weitere Filmkritiken, Streamingtipps, DVD-Besprechungen und Regisseur-Porträts finden Sie auf meiner Website https://www.film-netz.com.