Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Walter Gasperi · 13. Aug 2020 · Film

Aktuell in den Filmclubs (14.8. - 20.8. 2020)

Dieses Wochende stehen am Harder Bodenseeufer vier Open-Air-Kinoabende auf dem Programm. Unter anderem läuft dabei Taika Waititis Hitler-Satire „Jojo Rabbit“. Beim Open Air des KUB Bregenz wird dagegen Jia Zhank-kes furioses chinesisches Gesellschaftsporträt „Ash Is Purest White“ gezeigt.

Jojo Rabbit: Satiren über den Nationalsozialismus sind angesichts der realen Schrecken dieses Regimes eine schwierige Gratwanderung. Dem Neuseeländer Taika Waititi gelingt es aber am Schicksal eines zehnjährigen Jungen, der begeistertes Mitglied der Hitler Jugend ist, dann aber die junge Jüdin Elsa entdeckt, die sich im Dachboden versteckt, mit Einfallsreichtum und Witz einerseits Feindbilder ad absurdum zu führen, andererseits universell und zeitlos von einem Coming-of-Age zu erzählen.
Wie frech – und auch frisch – Waititi dabei mit der Geschichte umgeht, zeigt sich schon im Musikeinsatz, wenn er „Komm, gib mir die Hand“ von den Beatles - die deutsche Version des Welthits „I Want to Hold Your Hand“ – Ausschnitten aus Leni Riefensthals berüchtigtem Propagandafilm „Triumph des Willens“ unterlegt. Gleichzeitig bringt der Kontrast zwischen diesem Auftaktsong, der gewissermaßen die Sehnsucht nach Verbundenheit mit der Masse beschwört, und David Bowies „Helden“ als Schlusssong, der selbstständiges Handeln und Autonomie signalisiert, auch die im Zentrum stehende Entwicklung des zehnjährigen Jojo Betzler zum Ausdruck.
Indem gleichzeitig dem Terror des Regimes die Schönheiten des Lebens, die von der Mutter und der versteckten Elsa beschworen werden, gegenübergestellt werden, wird „Jojo Rabbit“, der auch ganz untypisch für Filme über das Dritte Reich in warme und kräftige Farben getaucht ist, zum bewegenden, zeitlosen und universellen Film über die Selbstfindung eines Jugendlichen, zu einer Liebeserklärung an das Leben und zur Absage an Rassismus und Gewalt. – Ganz zeitgemäß ist diese Satire, wenn sie den Frauen dabei eine zentrale Rolle zuteilt.
Hardmovie – Open-Air-Kino am Harder Bodenseeufer, Stedepark – Festwiese am See: Sa 15.8., 20.30 Uhr


Ash Is Purest White:
Über fast zwanzig Jahre und quer durch China spannt Jia Zhang-ke den Bogen der Handlung und mischt Gangsterfilm, Liebesfilm und Roadmovie souverän zu einem mitreißenden Panorama des gewaltigen Umbruchs im Reich der Mitte.
Im Mittelpunkt der Handlung steht die von Zhao Tao fantastisch gespielte schöne Qiao. Ihr folgt der Film durch 136 Minuten. Wie diese Geliebte des Gangsterbosses Bin am Beginn eine Spielhölle in der nordchinesischen Stadt Datong betritt und in der Männergesellschaft agiert, kennzeichnet sie schon als selbstbewusste und starke Frau.
Mitreißend und kraftvoll evoziert Zhang-ke in diesem ersten 2001 spielenden Abschnitt den Um- und Aufbruch im China der Jahrtausendwende. Während einerseits die Gangster der der Mafia ähnelnden Organisation Jianghu Geschäfte machen und Korruption an der Tagesordnung ist, stehen andererseits die Minen der Bergbaustadt Datong vor der Schließung. Auf der einen Seite protestieren Arbeiter gegen Entlassung und Umsiedlung, auf der anderen wird in den Discos gefeiert und getanzt.
Mit großen Ellipsen überspringt Zhang-ke zweimal mehrere Jahre, blickt im zweiten 2006 spielenden Abschnitt auf die erloschene Liebe Qiaos und Bins und zeigt im letzten Abschnitt, der 2018 spielt, wie sich die Machtverhältnisse gewandelt haben und nun Qiao das Sagen hat.
Große Kunst ist es, wie der 48-jährige Chinese die individuelle Geschichte des Paares mit der rasanten gesellschaftlichen Entwicklung verknüpft.
KUB-Open-Air, vor dem Kunsthaus Bregenz: Mi 19.8., 21 Uhr


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