Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Walter Gasperi · 11. Jul 2010 · Film

Aktuell in den Filmclubs (12.7. - 18.7. 2010)

Pandora´s Box: Yesim Ustaoglu erzählt in ihrem 2008 beim Festival von San Sebastian mit dem Hauptpreis ausgezeichneten Drama ungemein feinfühlig und geduldig von einer an Alzheimer leidenden Frau und ihrer Familie. Wie so oft im türkischen Kino lässt Ustaoglu dabei Tradition und Moderne aufeinander treffen, wenn die drei  erwachsenen Kinder ihre Mutter von einem Dorf im Hinterland des Schwarzen Meeres in die Metropole Istanbul holen. Doch die Journalistin, die eine unglückliche Affäre mit einem verheirateten Macho hat, ihre Schwester, die mit ihrem halbwüchsigen Sohn nicht klar kommt, und der Bruder, der ein Aussteigerleben führt, sind viel zu sehr mit sich selbst und ihren Problemen beschäftigt, als dass sie sich auf die von der 90-jährigen Tsilla Chelton berührend gespielten Mutter einlassen könnten. So wird die verwirrte Greisin hin- und hergeschoben und nur ihr pubertierenden Enkel, der kaum weniger orientierungslos als sie selbst ist, findet Zugang zu ihr.
Mehr als um die Alzheimerpatientin geht es in „Pandora´s Box“ um die mittlere Generation, deren Probleme durch die Anwesenheit der Mutter an die Oberfläche gespült werden. Viel Zeit nimmt sich Ustaoglu, erzählt in langen Einstellungen und verlangt vom Zuschauer sich auf diesen ruhigen Erzählrhythmus einzulassen. Perfekt passt diese Erzählweise zum Inhalt, wird dadurch doch erfahrbar, wie viel Geduld und Einfühlungsvermögen die Pflege und Betreuung eines Alzheimerpatienten verlangt.
Dass „Pandora´s Box“ trotz des schweren Themas kein deprimierender Film ist, sondern Leichtigkeit ausstrahlt und das Gefühl, Dinge, die man nicht ändern kann, mit Gleichmut zu ertragen, gehört zu den kaum zu überschätzenden Qualitäten dieses bewegenden, sehr menschlichen Familiendramas.
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Mi, 14.7., 20 Uhr; Fr, 16.7., 22 Uhr


Das ganze Leben liegt vor dir: Marta hat zwar über Martin Heidegger und Hanna Arendt dissertiert und ihr Philosophiestudium mit Auszeichnung abgeschlossen, Jobgarantie ist das aber noch lange nicht. Da ist sie bald froh, dass sie ein vernachlässigtes Mädchen zum Babysitter auswählt und sie dadurch auch an einen Job in einem Callcenter kommt. Besuche von Vertretern für mehr oder weniger überflüssige Küchengeräte soll sie per Telefon fixieren und mit ihren kommunikativen Fähigkeiten entwickelt sich Marta  darin schnell zur Spezialistin. Raffiniert nützt sie das Internet, gibt vor in der Gegend der Angerufenen aufgewachsen zu sein und erschwindelt mit Detailwissen das Vertrauen der Kundinnen. Und nicht nur das: sie fühlt sich bei dem Job, bei dem man jeden Morgen mit einem Motivationssong beginnt, auch noch wohl.
Federleicht kommt Paolo Virzis Feelgood-Movie daher, präsentiert eine hinreißende Isabella Ragonese in der Hauptrolle und verquickt geschickt die privaten Nöte und Sorgen Martas mit der gesellschaftlichen Situation. Nicht nur unwürdige Arbeitsbedingungen mit einem Konkurrenzkampf, der durch konsequentes Belohnen und Bestrafen geschürt wird, unbarmherzige und heuchlerische Keilermethoden werden bissig attackiert, sondern auch der ausgebrannte Chef, die rücksichtslosen Vertreter, die quasi in Kampfseminaren geschult werden, und die beinharte, aber letztlich einsame Leiterin des Büros bekommen ihr Fett ab. Auch die zunehmend debiler werdende Medienlandschaft und die angesichts der heutigen Wirtschaftswelt ebenso anachronistischen wie hilflosen Aktionen eines engagierten Gewerkschaftlers nimmt Virzi gekonnt aufs Korn. - Höchst unterhaltsam und leicht verdaulich verpackt, beiläufig gewürzt mit einer guten Portion Lebensphilosophie, bekommt man so einen kräftigen Rundumschlag gegen das Italien Silvio Berlusconis präsentiert.
TaSKino Feldkirch im Kino Namenlos: Mi, 14.7., 19.30 Uhr; Do, 15.7., 21.30 Uhr
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Mi, 18.8., 20 Uhr; Fr, 20.8., 22 Uhr