Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Walter Gasperi · 10. Apr 2011 · Film

Aktuell in den Filmclubs (11.4. - 17.4. 2011)

Am Spielboden Dornbirn läuft diese Woche mit „Grbavica – Esmas Geheimnis“ Jasmila Zbanics eindrückliches Debüt über die Langzeitfolgen des Jugoslawienkriegs. Im Takino Schaan lädt dagegen Nicola Belluccis poetischer Dokumentarfilm „Nel giardino dei suoni“ zu einer fasznierenden Reise in die Welt der Töne und zu einem achtsamen Umgang mit den Mitmenschen ein.

Grbavica – Esmas Geheimnis: Der Sarajewoer Stadtteil Grbavica wurde während des Bosnienkrieges von der serbisch-montenegrinischen Armee in ein Kriegslager umgewandelt. Systematisch wurde hier die Zivilbevölkerung gefoltert und vergewaltigt.
Wie das Leben einerseits weiter geht, andererseits auch 2005 der Alltag immer noch vom 1995 beendeten Krieg beeinflusst wird, macht Jasmila Zbanic schon in den ersten Szenen deutlich. Auf die Sitzung einer Selbsthilfegruppe lässt sie Bilder einer Disco folgen und das ausgelassene Balgen Esmas (Mirjana Karanovic) mit ihrer 12jährigen Tochter Sara (Luna Mijovic) geht abrupt in einen Moment der Beklemmung über. Denn Esma ist immer noch traumatisiert von einer Vergewaltigung während des Kriegs, die sie aber verdrängt und vor ihrer Tochter verheimlicht.
Rückblenden benötigt Zbanic nicht. Unspektakulär zeigt sie am genau beobachteten Verhalten der Menschen, wie die Schrecken des Krieges in der Gegenwart fortwirken, macht an einer privaten Geschichte gesellschaftliche Probleme sichtbar.
In jeder Geste überzeugend und mit großer Authentizität verkörpern die aus Filmen Emir Kusturicas bekannte Mirjana Karanovic und die 1991 geborene Laiendarstellerin Luna Mijovic feinfühlig Mutter und Tochter. Man spürt auch, dass die Regisseurin das Milieu genau kennt. Mit dokumentarischem Blick, in dem sich der Einfluss der Co-Drehbuchautorin Barbara Albert zeigt, fängt sie realistisch den Alltag ein. Christine Maiers Kamera ist nah an den Menschen, bettet sie aber immer in ihr soziokulturelles Umfeld ein. Überzeugend spiegeln sich im winterlich kalten, verschneiten und in verwaschene Farben getauchten Sarajewo emotionale Kälte und Verhärtung. Wie Zbanic dabei die Balance zwischen Tristesse und dem Glauben an eine Versöhnung hält, gehört zu den kleinen unauffälligen Stärken dieses sehr menschlichen Films.
Spielboden Dornbirn: Di, 12.4.; Fr, 22.4. - jeweils 20.30 Uhr


Nel giardino dei suoni: Wie nimmt ein Blinder die Welt wahr? Welche Wirkungen kann Musiktherapie auf Kinder mit schwersten Hirnschäden haben? Nicola Bellucci erörtert solche Fragen in seinem Dokumentarfilm nicht explizit, sondern entwickelt sie vielmehr aus dem Portät des heute 55-jährigen Wolfang Fasser heraus. Im Alter von 22 Jahren erblindete Fasser aufgrund einer Erbkrankheit, arbeitete dann als Physiotherapeut und gründete 1999 in einem abgelegenen Weiler in der Toskana ein Zentrum für Musiktherapie, in dem er mit schwerstbehinderten Kindern arbeitet.
So feinfühlig wie Fasser mit seinen kleinen Patienten umgeht, so achtsam ist auch Belluccis Film. Kommentar ist nicht nötig und ganz selbstverständlich fließen das Porträt Fassers und die Schilderung seiner Arbeit ineinander. Und gleichzeitig und vor allem ist „Nel giardino dei suoni“ ein Film über die Welt der Töne und das Hören, über die unterschiedlichen Laute von Musikinstrumenten und die vielfältigen Naturgeräusche, die Fasser mit seinem Tonbandgerät einfängt. Die visuelle Ebene kommt dabei aber nicht zu kurz, denn in traumhaften Bildern fängt die Kamera von Pio Corradi und Pierre Mennel die Hügellandschaft der Toscana ein. Bewusst ist dabei dem Zuschauer aber stets, dass dieser Eindruck Fasser verwehrt bleibt, lernt aber auch, dass der Blinde Töne ungleich intensiver wahrzunehmen vermag. So ist dieser poetische Dokumentarfilm gleichermaßen ein unaufdringliches und berührendes Plädoyer für einen achtsamen Umgang mit den Mitmenschen als auch eine Schule des Hörens, die den Zuschauer lehren kann Geräusche bewusster und intensiver wahrzunehmen.
Takino Schaan: Do, 14.4., 20 Uhr; Sa, 16.4. + So, 17.4. – jeweils 18 Uhr