Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Walter Gasperi · 27. Mai 2011 · Film

Action, Tanz und Sterben in Barcelona

Joe Wright lässt in seinem wilden „Wer ist Hanna?“ Saoirse Ronan quer durch Europa hetzen, Wim Wenders hat der legendären Tanzchoreographin Pina Bausch ein filmisches Denkmal gesetzt und Javier Bardem bewegt sich in Alejandro González Iñárritus „Biutiful“ in einem verregneten Barcelona zweieinhalb Stunden auf den Tod zu.

Farbe und Licht sind Elemente, die die Atmosphäre eines Films entscheidend prägen und immer auch etwas über die Befindlichkeit der Figuren erzählen. Nicht viel Hoffnung aufkommen lässt so Alejandro González Iñárritu in „Biutiful“,  taucht er sein Barcelona doch in winterlich kalte und verwaschene Farben. Verwundern kann das nicht, denn kein Glück gibt es im Leben des Kleinkriminellen Uxbal (Javier Bardem). Seine Beziehung zur psychisch kranken und drogensüchtigen Marambra ist längst zerbrochen, Geld verdient er, indem er den Straßenverkauf von illegal in Spanien lebenden Afrikanern organisiert oder Hinterbliebenen vorgaukelt Kontakt mit den Verstorbenen aufnehmen zu können. Seine ganze Sorge aber gilt seinen beiden Kindern, mit denen er zwar in einem dreckigen Loch lebt, um die er sich aber liebevoll kümmert.

Winterlich-kaltes und verregnetes Barcelona

Dass es mit Uxbal kein gutes Ende nehmen wird, macht nach einer surrealen Eröffnung schon die erste Szene klar, wenn er Blut uriniert und eine Ärztin einen Tumor feststellt. Zweieinhalb Stunden bewegt der von Javier Bardem mit großem Körpereinsatz und Mut zur Hässlichkeit gespielte Uxbal sich so auf den Tod zu, sucht verzweifelt nach Erlösung, bemüht sich um Aussprache mit Marambra, um Sicherstellung einer guten Zukunft für seine Kinder und bessere Arbeits- und Wohnbedingungen für die illegalen Migranten. – Und scheitert doch auf jeder Ebene in diesem nach der komplex verschachtelten Trilogie „Amores Perres“, „21 Grams“ und „Babel“ überraschend geradlinigen Drama, mit dem Iñárritu nach der Trennung von seinem Drehbuchautor Guillermo Arriaga erstmals ein eigenes Drehbuch verfilmt hat.

Vom finnischen Winter ins pulsierende Nordafrika

So schmutzig wie das Barcelona von „Biutiful“ ist das Berlin, in das Joe Wright seine junge Heldin Hanna am Ende von „Wer ist Hanna?“ zum Showdown antreten lässt. Seinen Anfang genommen hat Wrights vierter Kinofilm aber in den endlosen verschneiten Weiten Finnlands. In dieser Abgeschiedenheit hat Erik (Eric Bana) Hanna (Saoirse Ronan) von klein auf zu einer perfekten Kampfmaschine ausgebildet. Nicht nur das verschneite Häuschen im Wald, sondern auch dass Hanna Grimms Märchen liest, bringt eine ungewöhnliche Note in diesen Thriller. Fast schon erwachsen ist Hanna und Erik lässt ihr die Freiheit sich selbst für ihren Weg zu entscheiden. Mit Umlegen eines Peilsenders macht sie den CIA auf sich aufmerksam und wird von nun an unerbittlich gejagt von der Agentin Marissa Wiegler (Cate Blanchett), der bösen Hexe dieses action-geladenen Märchens.
Vom winterlichen Finnland führt der Weg nicht nur ins sommerlich braune Nordafrika und Spanien, sondern damit auch von der Einöde und Gefühlskälte in die Zivilisation und das vitale Leben sowie von der Kindheit ins Erwachsenenalter. Dabei wird die durchtrainierte Kampfmaschine, die zwar über theoretisches Wissen, aber über keine menschlichen Erfahrungen verfügt, immer wieder  mit Menschen konfrontiert, sodass durchgängig die Frage nach dem genuin Menschlichen aufgeworfen wird.
In welche Richtung sich die Geschichte entwickelt, ist zwar ebenso rasch klar wie die Hintergründe, doch mit seinem Gespür für aufregende visuelle Gestaltung, einem souveränen Mix aus furiosen Actionszenen und ruhigeren Momenten und der starken Saoirse Ronan in der Hauptrolle hält Wright die Spannung durch bis zum Finale, in dem wieder der Bogen zum Anfang geschlagen wird.

Die ganze Tiefe des Raums

Wim Wenders´ Hommage an die legendäre Tanzpionierin Pina Bausch schließlich wird noch mehr als von Licht und Farben vom Raumgefühl, das sich in „Pina“ durch 3 D-Technik einstellt, bestimmt. Hier meint man einen Gazevorhang, der die Bühne teilt, ein rotes Kleid, das die Tänzerinnen in „Le sacre du printemps“ dem Gott anbieten oder den dunklen Felsen in „Vollmond“ fast greifen zu können und glaubt, dass das Wasser im letztgenannten Stück in den Kinosaal spritzt. Ein höchst sinnliches Erlebnis ist dieser Dokumentarfilm, den Wenders und Bausch lange planten, der dann aber erst nach dem überraschenden Tod der Tänzerin realisiert wurde. Ausschnitte aus den Stücken „Le sacre du printemps“, „Café Müller“, „Kontakthof“ und „Vollmond“ werden dabei ergänzt durch kurze Statements der TänzerInnen, die dazu quer durch Wuppertal, in der Schwebebahn, auf einem Fabriksgelände, in einem Schwimmbad, an einer Straßenkreuzung, in einem Park oder am Rande einer Bergwerksgrube wie in einer persönlichen Hommage an Bausch kurze Solos oder Pas de deux tanzen.
Bausch selbst ist nur in zurückhaltend eingesetzten Tonbandaufnahmen zu hören und in wenigen Filmausschnitten zu sehen, die durch Rahmung in Art eines Guckkastens wieder räumlich in den Hintergrund gerückt werden. Ganz über ihr Schaffen definiert Wenders so die große Künstlerin, hält sich selbst zurück, überlässt den Raum der Verstorbenen, die der Film in  ihren Choreographien weiter leben lässt.