Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Gunnar Landsgesell · 04. Mai 2012 · Film

50/50

Adam, ein junger Mann aus Vancouver, erkrankt an Krebs. Seinen Leidensweg gestaltet Regisseur Jonathan Levine ganz im Stil der Tragikomödie als amüsant-tröstliche Reise durch menschliche Beziehungen, die nicht immer verständnisvoll sind.

Eigentlich mutet „50/50“ seinem Helden Adam (Joseph Gordon-Levitt) ungeheures zu. Dass der 27jährige an Krebs erkrankt, ist nur eine Sache. Dass er dabei seine Verwandtschaft und Freunde und auch noch das Publikum im Stil eines feel-good-movies unterhalten muss, eine andere. Regissebryur Jonathan Levine folgt in seiner Inszenierung einer eisernen Regel Hollywoods: Film darf nicht wehtun, auch wenn dessen Themen noch so dramatisch oder traurig sind. Mit dem Genre der Tragikomödie findet „50/50“ damit ein ideales Terrain, um niemand mit seinem schwer erkrankten Protagonisten zu vergrämen. Nach jedem Schmerz ein müder Scherz. Und jedes Mal, wenn einem ein Moment tatsächlich zu nahe gehen könnte, dreht das Drehbuch rechtzeitig ab, während einsetzende Klaviermusik Gefühle geschickt kanalisiert. Adam nimmt es gelassen, was sonst: In seinem tiefsten Inneren weiß auch er, dass am Ende nur ein Happy End stehen kann.

Sympathischer Film

Auch wenn es anders klingen mag, „50/50“, übrigens im wolkenverhangenen Vancouver gedreht, ist gar kein schlechter Film. Sympathisch, frei von Sentimentalitäten, mit stillem Humor und einer Treffsicherheit besonders in der Beziehung Adams zu seiner fürsorglichen, aber ständig grenzüberschreitenden Mutter (Anjelica Huston), schafft Levines Inszenierung es, eine durchaus eigenständige Tonart zu entwickeln. Mit Joseph Gordon-Levitt fand man zudem einen Darsteller, der ungewöhnlich schlicht und uneitel diese Rolle ausfüllt. Die größte Glaubwürdigkeit gewinnt der Film darin, wie er das Verhältnis des Kranken zu seiner Umwelt darstellt. In dem Moment, wo Normalität verschwindet und er Unterstützung bräuchte, wird sie ihm versagt. Zu sehr scheint jeder mit sich beschäftigt oder nicht in der Lage, adäquat zu reagieren. Seine Freundin (Bryce Dallas Howard) ist schlicht überfordert, nunmehr mit einem Mann, der sich nach Chemotherapien nächtens übergibt und dem die Haare ausfallen (die er vorsorglich schon selbst rasiert hatte), zusammen zu sein. Als er seiner Mutter von der Krebserkrankung erzählt, reagiert sie zuerst mit einem Vorwurf: warum er ihr erst jetzt davon erzähle. Adams Freund schließlich, Kyle, dargestellt von Seth Rogan, nutzt die Chance, um mit Adam neue Aufrissmethoden zu erforschen: Hallo, ich bin krebskrank. Abgesehen von Rogans Rolle, die nicht minder derb ausgefallen ist wie seine schauspielerische Präsenz, und sich gar nicht in diese Geschichte einfügen will, erzielt „50/50“ mit seinem traurigen, stillen Helden in einer Welt voller Egos die meisten Punkte. Dass er schließlich mit seiner Therapeutin (Anna Kendrick) doch noch eine empathisch Person kennen lernt, hat er sich somit verdient. Völlig distanziert bleibt hingegen Adams Verhältnis zu seiner eigenen Erkrankung, so, als würde es darum gar nicht gehen.

Dass das Drehbuch selbst Angst hat, jemanden weh zu tun, könnte daran liegen, dass der Autor seine eigene Geschichte darin verfasst hat. So wie Adam erkrankte Will Reiser an einem Tumor an der Wirbelsäule und konnte nach einer Operation genesen. Seltsame Randnote des Films ist, dass Seth Rogan im richtigen Leben ein Freund Reisers ist, sich also quasi selbst spielt. Seltsam auch, dass gerade Rogan so deplatziert wirkt. „50/50“ bietet nette Unterhaltung mit einem ernsten Thema, das letztlich niemand weh tut.