"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Walter Gasperi · 07. Jul 2012 · Film

2 Tage New York

Fünf Jahre nach „2 Tage Paris“ legt Julie Delpy eine Fortsetzung ihres Spielfilmdebüts vor: Die Französin Marion und ihr neuer Freund erhalten in New York Besuch von ihrer recht schrägen Familie. Bald treten kulturelle Gegensätze und innerfamiliäre Spannungen zu Tage. – Temporeiche Komödien mit schnellen Dialogen, der es aber doch etwas an Spritzigkeit mangelt.

Turbulent verlief „2 Tage Paris“, in dem die zwischen New York und Paris pendelnde Marion (Julie Delpy) und ihr New Yorker Freund Alex zum Abschluss einer Europareise Marions Eltern in Paris besuchten. Voll Staunen und Schock blickte Alex da auf französische Sitten.

Franzosen in New York

Fünf Jahre später lässt Delpy die französische Familie einen Gegenbesuch in New York abstatten. Es fehlt freilich die Mutter, ist doch auch Delpys eigene Mutter 2009 verstorben, der Vater wird aber wieder von Delpys eigenem Vater (Albert Delpy) gespielt. Dazu kommen Marions nymphomane Schwester Rose (Alexia Landeau) und ihr grobschlächtiger Freund Manu (Alex Nahon).
Aber auch bei Marion hat sich inzwischen einiges getan: Von Alex hat sie sich getrennt, hat aber ein Kind von ihm und lebt nun mit dem afroamerikanischen Radiomoderator Mingus (Chris Rock) und dessen Kind zusammen.
Die Anlage als Doppelfilm erinnert an Richard Linklaters „Before Sunrise“ und „Before Sunset“, bei dem Delpy zunächst auf einer Zugfahrt von Budapest nach Wien einen jungen Amerikaner kennen lernte und ihm dann 15 Jahre später in Paris wieder begegnete. Davon abweichend hat Delpy den männlichen Protagonisten aber ausgewechselt und legt den Schwerpunkt auch nicht auf die Beziehung als vielmehr auf den Culture-Clash. Ein geschickter Schachzug war das Ersetzen von Alex durch Mingus. Denn wäre der eine mit den französischen Sitten schon vertraut gewesen, so reagiert Mingus auf das Verhalten von Marions Familie so erstaunt wie einst Alex in Paris.
Gerahmt wird die Komödie durch ein liebevoll gestaltetes Puppentheater, in dem Marion einerseits die Vorgeschichte zusammenfasst, andererseits am Ende den weiteren Verlauf referiert. Wer hier neben dem Kinopublikum der direkte Zuschauer ist, soll nicht verraten werden.

Lustvolles Spiel mit Klischees

Keine Sightseeing-Tour durch New York wird geboten, vielmehr fokussiert Delpy ganz auf den Figuren, die hier aufeinanderprallen. Wenn beim Familienbesuch weltoffenes Frankreich auf prüdes Amerika trifft entwickelt „2 Tage New York“ beträchtlichen Witz. Wie es in „2 Tage Paris“ um George Bush und den Irak-Krieg ging, so geht es nun immer wieder um Barack Obama, der das große Idol von Mingus ist, von Marions Familie aber äußerst kritisch gesehen wird. Kein Wunder, dass die Franzosen bei einem  Gespräch mit einem Obama-Berater kräftig ins Fettnäpfchen treten.
Lustvoll spielt die mit beiden Kulturen bestens vertraute Delpy mit Klischees, lässt aber auch innerfamiliäre Gegensätze aufeinanderprallen. Mit diesem Familien- und Culture-Clash-Motiv, in dessen Mittelpunkt Mingus steht, verknüpft Delpy Marions eigene Situation: Als Künstlerin ist sie wenig erfolgreich, jetzt steht eine Ausstellungseröffnung kurz bevor. Nichts scheint hier zu gehen, obwohl Marion sogar ihre Seele zum Kauf anbietet, doch durch eine Falschmeldung entwickeln sich die Bilder plötzlich zum Renner.

Auf den Spuren Woody Allens

In Diskursen über die Existenz der Seele, einem Gespräch mit einem Kunstkritiker oder der Thematisierung einer - erfundenen - schweren Krankheit spürt man den Einfluss von Woody Allen ebenso wie in den schnellen Dialogen und im persönlichen Zugang Delpys, die für Regie, Buch, Musik und Hauptrolle verantwortlich zeichnet. Nicht über die Bildebene, sondern über den Dialog entwickelt sich der Witz – und hat auch einigen Biss.
„Das Leben bekommt man schwerer in den Griff als einen Drachen“, ist in etwa die zentrale Botschaft, trotz allem lässt Delpy ihren Film glücklich enden, denn nach zwei Tagen wird sich die Familie ja wieder nach Europa verabschieden und man kann wieder das kleine Glück genießen.