„Sunset Boulevard“ von A.L.Webber in der Inszenierung des Musiktheaters Vorarlberg (Foto: mtvo).
Silvia Thurner · 30. Jun 2024 · Musik

Ensemble Plus begeisterte mit musikalischen Erzählungen und Skulpturen

Ein in sich abgerundetes Erlebnis in wunderbarem Ambiente

Das Ensemble Plus lud in die Fabrik Klarenbrunn zu einem inspirierenden Kammermusikkonzert mit Werken von Luciano Berio, Nico Muhly und Richard Dünser. Virtuos und mit Leidenschaft musizierten Jessica Kuhn (Violoncello), Guy Speyers (Bratsche), Martin Gallez (Klavier) und Michaela Girardi (Violine) solo, im Duo und im Quartett. Die Werkauswahl bot viel Abwechslung und unterstützte das konzentrierte Musikerlebnis. Begeistert reagierten die Zuhörenden.

Richard Dünser komponierte das Klavierquartett „Ricordanze“ in den Jahren 2017 bis 2020 und verfasste damit eine Art Zusammenschau bisheriger bedeutender Aspekte seines kompositorischen Schaffens. Das sind unter anderem der Autor Friedrich Hölderlin sowie die Komponisten Johannes Brahms, Alban Berg und Alexander Zemlinsky. Mit Zitaten und Allusionen schuf Richard Dünser ein dichtes dreisätziges Werk und entfaltete einen mitreißenden Erzählfluss. 
Michaela Girardi, Guy Speyers, Jessica Kuhn und Martin Gallez musizierten hervorragend aufeinander abgestimmt. Poesievoll und emotionsgeladen stellten sie das Werk in den Raum der Fabrik Klarenbrunn. So bildeten die miteinander und gegeneinander geführten harmonischen Pfeiler in der Vertikalen und motivisch-melodischen Felder in der Horizontalen mit unterschiedlichsten Gewichtungen und Farben kraftvolle Charaktere aus.
In „Ricordanza“ nahm Richard Dünser auch Bezug auf die sogenannte „Poesia impura“, die der Autor Pablo Neruda geprägt hat, und übertrug sie in seine kompositorische Sprache. In Anlehnung daran formte das Ensemble Plus die sich aufbauenden Passagen und ließ diese in einem Widerstreit der Kräfte zusammenbrechen. Dadurch entstand ein Spiel zwischen Erkennen und Verschleiern und es herrschte eine große unterschwellige Spannung, die in allen drei Sätzen kulminierte. 

In einem ständigen Dialog

Im vergangenen Jahr interpretierte der Trompeter Roché Jenny „Sequenza III“ für Trompete solo von Luciano Berio. Nun stellte die Cellistin Jessica Kuhn das letzte Werk des 14-teiligen Zyklus vor. Ihr Cello diente als Perkussions-, Zupf- und Streichinstrument gleichzeitig. Virtuos und variantenreich führte die Cellistin den Wechsel zwischen dem Spiel auf dem Korpus, auf dem Griffbrett und mit dem Bogen aus. Damit verlieh sie jedem erklingenden Ton seine spezifische Eigenart und entfaltete dabei ein faszinierendes Spiel, das vielfältige Assoziationen zu Instrumenten aus anderen Kulturkreisen und musikalischen Genres zuließ.
Weil der Kontrabassist Nikolaus Feinig kurzfristig erkrankt war, konnte das angekündigte Werk von Sofia Gubaidulina nicht aufgeführt werden. Stattdessen musizierten Guy Speyers und Martin Gallez ein Werk des amerikanischen Komponisten Nico Muhly. „Drones“ fügte sich hervorragend zu den anderen dargebotenen Kompositionen. Zuerst hoben lange Bordunlinien in der Viola und in sich ruhende Klavierklänge den Zeitfluss auf. Langsam wurde der Radius zwischen den beiden Instrumentalparts gedehnt und die liegenden Akkorde entwickelten einen wiegenden Bewegungsfluss, in den eine leidenschaftliche melodische Linie eingeschrieben war. Der Rollentausch zwischen den Instrumenten ließ ein Gleichgewicht entstehen. Obwohl das Werk zum Schluss hin allzu geschmäcklerische Züge annahm, blieb der positive Gesamteindruck vorherrschend.

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