Die Berliner Band „Milliarden“ beim Poolbar Festival (Foto: Darius Grimmel)
Thorsten Bayer · 11. Mai 2024 · Musik

Ein leuchtender Abend mit den Sternen

Einen glänzenden Auftritt legte die Hamburger Alternative-Band Die Sterne hin. Sie präsentierte ihr Best-of-Album „Grandezza“. Am Freitagabend im Dornbirner Spielboden zeigten die vier Musiker:innen um Frontmann Frank Spilker, was sie seit über 30 Jahren auszeichnet: intelligente deutsche Texte und einen unwiderstehlichen Groove. Als Support trat Angela Aux auf.

Florian Tobias Kreier aka Angela Aux ist ein Mann mit vielen Gesichtern. Der bayrische Künstler tritt, wie an diesem Abend in Dornbirn, solo mit Gitarre auf, gemeinsam mit der Band Aloa Input, ist DJ, komponiert für Filme und Theaterstücke und schreibt Kurzgeschichten und Gedichte unter dem charmanten Pseudonym Heiner Hendrix. Andererseits ist sein Gesicht zu Beginn des Auftritts schwer bis gar nicht zu erkennen – so tief hat er die Kapuze über die Basecap gezogen. So kann sich das Publikum ganz darauf einlassen, was es hört: eine warme Stimme zumeist mite melancholischer Gitarrenbegleitung. Eine ruhige, schön ruhige Atmosphäre macht sich breit. Dazu trägt bei, dass er eine ungewöhnliche Bitte an die Zuschauer:innen hat: Sie sollen nicht applaudieren, sondern leise pfeifen.

Quantenphysik

Auf die Dauer ist sein Programm etwas eintönig. Trotzdem muss man den 41-Jährigen ins Herz schließen. Wer widmet sich in Songtexten schon Fragen über das Verhältnis von Quantenphysik und Glaube oder verkauft T-Shirts mit der Frage „Future is a technique to travel“ an seinem Merchandising-Stand? Sein Ziel sei, wie er sagt, dass seine Texte die Menschen zum Denken anregen. Dieser Ansatz funktioniert – und gilt auch für die folgende Band, die Sterne aus Hamburg.

Akku lädt sich auf

Die Formation um Frank Spilker (Gesang und Gitarre) ist schon lange aktiv, doch ihre Songs sind zeitlos. Wer ein Faible für Indie, gute deutschsprachige Texte hat und in den späten 1990er-Jahren musikalisch sozialisiert wurde, kann noch heute Klassiker wie „Universal Tellerwäscher“ oder „Was hat dich bloß so ruiniert?“ problemlos mitsingen. Am Vorabend hat die Band in Wien gespielt und eine sichtlich anstrengende Anreise hinter sich. „Doch nach dem Pfändertunnel ging die Sonne auf“, erzählt Spilker. Nur wenige Songs braucht es, bis die Band auf Betriebstemperatur ist. Nach den ersten Höhepunkten „Widerschein“ und „Big in Berlin“ scheint die Müdigkeit aus den Knochen geschüttelt. Mit jedem Song wird Frank Spilkers Lächeln breiter. Sein Akku scheint sich aufzuladen. Die Energie überträgt sich sofort auf das Publikum. 

Die Sterne als Community 

Immer wieder zeigt sich, nicht zuletzt durch das beeindruckende Spiel des Drummers Philipp Janzen, was die Sterne ausmacht: der Groove. Andere Bands der sogenannten Hamburger Schule wie Blumfeld, Tocotronic oder Selig haben auch intelligente Texte und absolut hörenswerte Alben. Unerreicht funky sind (aus meiner Sicht) die Sterne. 
Von der ursprünglichen Besetzung ist nur noch Frank Spilker übriggeblieben. Er hat solo Musik gemacht, ein Buch und Hörspiele geschrieben. Was hat ihn immer wieder zu den Sternen zurückgeführt? „Das hat viel damit zu tun, dass die Sterne nicht einfach eine Band sind, sondern fast schon so etwas wie eine Sekte. Auf jeden Fall eine Community“, sagt der 58-Jährige im Interview. „Man tourt ja nicht dreißig Jahre durch die Gegend, ohne Freunde zu finden. Und diese Community ist dann letztendlich auch eine Plattform für die Kunst.“

Mitreißender Auftritt

Das erste Album „Wichtig“ erschien 1993, der Durchbruch folgte 1996 mit „Posen“. Frank Spilker hat in den Jahrzehnten seine Herangehensweise an das Songschreiben verändert: „Ich bin mir viel mehr im Klaren darüber, was ich eigentlich möchte, wenn ich damit anfange. Manchmal lasse ich es auch bleiben, weil ich sowieso schon weiß, was dabei herumkommt. Ich muss die Fehler der Vergangenheit also nicht immer wiederholen und kann stattdessen auf dem aufbauen, was für mich funktioniert.“ 
In Dornbirn funktioniert eine ganze Menge: Frank Spilker, Philipp Janzen, Dyan Valdés (Keyboards) und Phillip Tielsch (Bass) zeigen sich spielfreudig und mitreißend. Und „Was hat Dich bloß so ruiniert?“ ist noch nicht das letzte Wort. „Du musst gar nichts“ beendet ein Konzert, an das viele noch lange zurückdenken werden.