"Mit einem Tiger schlafen": Anja Salomonowitz‘ Spielfilm über die Künstlerin Maria Lassnig derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: Stadtkino Wien Filmverleih)
Walter Gasperi · 09. Mai 2024 · Film

Aktuell in den Filmclubs (10.5. – 16.5.2024)

In der LeinwandLounge in der Remise Bludenz steht diese Woche Christian Petzolds federleichter Beziehungsfilm "Roter Himmel" auf dem Programm. Das Filmforum Bregenz zeigt dagegen mit "Amsel im Brombeerstrauch" eine leise georgische Tragikomödie, in der eine Endvierzigerin das Leben und die Liebe entdeckt.

Roter Himmel: Nachdem in "Undine", mit dem Christian Petzold seine Trilogie zur deutschen Romantik eröffnete, das Wasser das zentrale Element war, bildet bei "Roter Himmel" der durch einen Waldbrand glühende und zunehmend bedrohliche Himmel den Hintergrund. Reflex auf den Klimawandel kann man in diesem Brand sehen, aber mehr noch ist dies wohl ein Bild für die aufflammende Leidenschaft der Protagonist:innen. 
Im Zentrum stehen Leon (Thomas Schubert) und sein Freund Felix (Langston Uibel). Im an der Ostseeküste gelegenen Ferienhaus von Felix´ Eltern will Leon am Manuskript für seinen zweiten Roman arbeiten, Felix dagegen ein Foto-Portfolio für die Bewerbung an einer Kunstakademie zusammenstellen. Bald müssen sie aber feststellen, dass die Mutter das Haus auch an die junge Nadja (Paula Beer) vermietet hat. Während Leon auf die unerwartete Mitbewohnerin genervt reagiert und in distanziert-argwöhnischer Beobachterposition verharrt, geht Felix offen und locker auf Nadja zu.
Konzentriert auf das Ferienhaus als weitgehend einzigem Schauplatz und einem gerade einmal fünfköpfigen Ensemble entwickelt Petzold ein ebenso sommerlich-leichtes wie dichtes und schließlich auch berührendes Beziehungsdrama. Aus dem starken Ensemble ragt dabei Thomas Schubert heraus, der mit seinem zurückhaltenden Spiel eindrücklich die innere Unruhe, die Arroganz und die versteckten Selbstzweifel Leons vermittelt.
Aber so unauffällig und ganz auf die Schauspieler:innen konzentriert "Roter Himmel" auch inszeniert ist, so sitzt hier doch nicht nur jeder Dialog, sondern auch jede Kamerabewegung und jeder Schnitt: Von der ersten bis zur letzten Szene aus einem Guss ist dieser Film, bei dem die filmische Erzählung am Ende auch noch in ein Stück Literatur übergeht. 
LeinwandLounge in der Remise Bludenz: Mi 15.5., 19 Uhr

 

Amsel im Brombeerstrauch: In ihrem zweiten Spielfilm erzählt die Georgierin Elene Naveriani von einer alleinstehenden Endvierzigerin (Eka Chavleishvili), die die Liebe entdeckt und langsam aufblüht. 
Die Einstellungen sind nicht mehr so lang wie in Naverianis an der Schwarzmeerküste spielendem Debüt "Wet Sand", aber immer noch lässt Kamerafrau Agnesh Pakozdi jeder Szene die Zeit, die sie benötigt, und jeder Schnitt ist wohlüberlegt gesetzt. Wieder wirken die einzelnen Einstellungen durch Lichtsetzung und Intensität der Farben teilweise wie Gemälde, doch die Kunstfertigkeit, mit der hier auch die alternden und übergewichtigen Körper ins Bild gerückt werden, ist frei von jeder Selbstgefälligkeit und steht ganz im Dienst der Handlung.
Die Erzählweise ist leise und in Details verdichtet sich nicht nur das Porträt der Protagonistin, sondern auch das ihres Dorfes. Immer mehr grenzt sie sich nämlich von ihren "Freundinnen" ab, will nichts mit deren Dorfklatsch zu tun haben, sucht dagegen Rat bei einem lesbischen Paar, das einen modernen Supermarkt führt, oder bei ihrer Teenager-Nichte, die sich allein schon mit ihren blauen Haaren dem konservativen Dorfleben widersetzt.
Mit viel Feingefühl und Einfühlungsvermögen ist das inszeniert, aber getragen wird diese berührende Tragikomödie von der großartigen Eka Chavleishvili. Sie spielt diese einfache Ladenbesitzerin, die in jeder Szene präsent ist, zurückhaltend, aber mit so viel Wärme, dass ihr Aufblühen ebenso bewegend erfahrbar wird wie ihre sich bald ausbreitenden Ängste. Mag man auch nicht gleich Zugang zu dieser wortkargen und ernsten Figur finden, so wächst doch aufgrund von Chavleishvilis Spiel und des von Empathie getragenen, warmherzigen Blicks Naverianis zunehmend die Sympathie, bis man diese Frau für ihren Kampf um ein unabhängiges Leben einfach bewundern und ins Herz schließen muss. 
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Mi 15.5., 20 Uhr


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