Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Anita Grüneis · 28. Feb 2024 · Theater

Wenn der Kaffee weiß wird

Dokumentartheater im TAK

„Wo finde ich einen stabilen Platz in diesem Dazwischensein?“, fragt die Protagonistin Laia RiCa im Stück „Kaffee und Zucker?“, das im TAK gastierte. Das Thema war komplex, das Bühnenbild einfach und die Inszenierung schlichtweg grandios. Im Mittelpunkt stand der (deutsche) Kolonialismus mit all seinen Folgen, die bis heute nachwirken. Den „stabilen Platz“ suchen die Betroffenen der einstigen Kolonialherren noch immer.

Auch die Bühne bietet keinen stabilen Platz – dafür hatte Bühnenbildner Marian Nketiah gesorgt: Eine wuchtige runde Scheibe hing an vier Seilen vom Bühnenboden herab. Sie war mal große Schale, dann Scheibe voller Bilder, ein Spielzeug und eine Tafel. Laia RiCa betrat im weißen Overall die Bühne, goss heißen Kaffee in zwei Tassen und gab eine davon ihrer Musikerin Yahima Piedra Córdova, ebenfalls im weißen Overall, die den ganzen Abend mit Live-Musik illustrierte. Dann erzählte Laia RiCa von der Tradition der Caféhäuser in Europa, die im 17. Jahrhundert begann. Sie beklebte ein Blatt mit Leim, schüttete gemahlenen Kaffee darauf und schon erschienen die Umrisse von Nord-, Mittel- und Südamerika. Später schüttete sie ganze Kaffeebohnen auf die große runde Scheibe und wischte diese mit mehreren Handbewegungen hinunter auf den Bühnenboden. Sie lief darüber, es knirschte gewaltig, gleichzeitig verbreitete sich ein wunderbarer Duft von frisch gemahlenem Kaffee. Pure Symbolik! Mit dokumentarischen Ton- und Video-Einspielungen, teils verfremdet und so zu neuem Leben erweckt, wurden die Geschehnisse von Damals geschildert, als mehrere deutsche Auswanderer über 200 Millionen Reichsmark in Guatemala investierten und sich so gleichzeitig die damit verbundenen Infrastrukturen wie Eisenbahnen, Elektrizität etc. als Monopol sicherten.

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Zum schwarzen Kaffee der weiße Zucker

Beim Thema Kaffee blieb es nicht, Auch Zucker war eine begehrte Kolonialware. Und so streute Laia RiCa groben Zucker auf die Kaffeebohnen, damit mischten sich Weiß und Schwarz. Später erzeugte sie mit einer Maschine Zuckerwatte, kreierte sich aus dieser wolkenflaumigen Masse eine Maske. Als weißes „Zuckerwesen“ schaute sie sich Filme an, in denen die Bilder zwischen positiven und negativen Darstellungen wechselten – wiederum eine tiefgreifende Symbolik. Außerdem baute sie sich aus der Zuckerwatte ein Baby – doch am Schluss steckte sie ihren Kopf in einen Glasbehälter voller Wasser, der Zucker löste sich von ihrem Gesicht und sie war wieder die „echte“ Laia Ribera Cañénguez, die den Text zu diesem Stück geschrieben hatte und die für die künstlerische Umsetzung verantwortlich war.
Lebendigkeit ist das Hauptmerkmal dieser mehrfach preisgekrönten Aufführung. Eine Inszenierung voller Überraschungen, Kunst, Performance und Theaterstück in einem, aber auch Konzert und Kino, denn die starke Live-Musik von Yahima Piedra Córdova ließ so manche Szene zu einem Film werden. Dafür sorgten auch die Live-Visuals von Daniela del Pomar. Eine Geschichtserzählung der besonderen Art, die dem Publikum nicht nur Spaß machte, sondern ihm zugleich das Thema Kolonialismus auf eine spielerische und kunstvolle Weise nahebrachte. 

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