Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Gunnar Landsgesell · 14. Feb 2020 ·

Die Dohnal

Johanna Dohnal: Feministin, Frauenministerin, eloquente Vorkämpferin für Frauenrechte. Sabine Derflingers Dokumentarfilm ist ein ungemein spannendes Porträt einer Frau, die ihrer Zeit weit voraus war.

Es gibt Filme, die heißen „JFK“ oder „Hoffa“, nach dem berühmt-berüchtigten Gewerkschaftsführer, oder „Die Dohnal“. Persönlichkeiten, deren Name locker einen Filmtitel ersetzen. Und auch wenn die ehemalige SPÖ-Frauenministerin Johanna Dohnal nicht mehr allen ein Begriff sein dürfte, erkennt man bald, warum ihr im Jahr 2020 ein ganzer Kinofilm gewidmet ist. Man spürt auch noch in den zahlreichen und teils durch den damaligen Zeitgeist beklemmenden Archivaufnahmen, wie fokussiert diese Frau war. Fast könnte man sagen, sie spielt alle in diesem Film an die Wand, die ruhige Entschlossenheit Dohnals zeigt auch jetzt noch ihre Wirkung. Dazu trägt freilich auch das filmische Konzept der Regisseurin Sabine Derflinger bei. Sie setzt Dohnal kein Denkmal, sondern lässt in einer sanften zeitlichen Skizze deren wichtigste Agenden aufleuchten, begleitet durch Stimmen von damals und heute. Dass Bruno Kreisky die Kettenraucherin - oder ist sie es durch das Amt geworden? - Ende der 1970er-Jahre nur gegen Widerstände in der eigenen Partei als Staatssekretärin durchsetzen konnte, ist auch heute noch nachvollziehbar. Dohnal war Feministin, eine radikale, wie Wegbegleiterin Alice Schwarzer anmerkt. Nur mit dem „Systemfehler“, dass sie in einem Regierungsamt gelandet ist. Von der Strahlkraft ihrer Oma merkte auch Dohnals Enkelin, die sie öfters auf der Straße begleitete. Sie erinnert sich, dass Frauen Dohnal auf der Straße eher dann angesprochen haben, wenn deren Ehemänner nicht dabei waren. Sie sei für viele Männer eine Bedrohung gewesen. In denkwürdigen Auftritten in der Diskussionssendung Club 2 wird das besonders deutlich. Sie versucht mit viel Mühe zu erklären, dass Frauen bei Gewalt in der Ehe nicht einfach ihren Mann verlassen können, solange es keine ökonomische Unabhängigkeit gibt. Richard Nimmerrichter, rechter Meinungsmacher der Kronen Zeitung unter dem Pseudonym „Staberl“, hält das für einen Blödsinn und wird untergriffig. Derflingers Film erzählt in wenigen Momenten von den Machtverhältnissen und damit einhergehenden Selbstverständlichkeiten einer patriarchalen Welt. Zu einem anderen Zeitpunkt geht es um Vergewaltigung in der Ehe. Dohnal versucht ihrem Gegenüber Günter Woratsch abzuringen, dass diese juristisch genauso zu behandeln sei wie eine Vergewaltigung außerhalb der Ehe. Woratsch sträubt sich. Zum eigenen Erstaunen liest man im Insert, dass dieser Woratsch der Vize-Präsident der Österreichischen Richtervereinigung ist.

Ihrer Zeit weit voraus

Derflingers Film ist ungemein spannend, sie zeigt, wie weit ihre Protagonistin ihrer Zeit voraus war. Das gilt auch für Kreisky, den Dohnal in den Männerkabinetts dieser Zeit viele Jahre begleitet hat. Sie reiste durch das Land, besuchte Bäuerinnen und Hausfrauen und saß an diskret eingerichteten Beratungsplätzen, um zuzuhören und Frauen über ihre (neu) erstrittenen Rechte aufzuklären. Vielleicht liegt es am Vintage-Charakter dieser Bilder, aber man hat beim Sehen nicht den Eindruck, dass es sich hier um eine Darstellerin der PR-gesteuerten Politik von heute handelt. Der Banker und Kanzler Franz Vranitzky läutete eine neue Ära ein und löste Dohnal vorzeitig als Frauenministerin ab. Dohnals Lebensgefährtin Annemarie Aufreiter erinnert sich an ein unwürdiges Polit-Ende. Die Beweggründe gehen im Film nicht ganz eindeutig hervor, außer dass Dohnal – der „Freundschaft“-Gruß in der SPÖ war bereits abgeschafft – unbequem war. Eine Zeitreise in unsere jüngste Vergangenheit, die sich angesichts der Verhältnisse oft viel, viel älter ausnimmt.