Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Ingrid Bertel · 12. Mär 2023 · Literatur

Christian Futscher: „Welche Wonne, welches Glück“

„auf dem platz / des himmlischen friedens / war die hölle los“, heißt es in einem von Christian Futschers „Chinesengedichten“. Zusatz: „das ist schon länger her“. Allerdings geht es bei Futscher weder um Politik noch Geschichte der Revolutionen, und es geht auch keineswegs um reale Chinesen. Eher schon um gelbe Comicfiguren.

Sie sind einfach eine Chiffre, so wie „der Chinese“ in Theodor Fontanes Roman „Effi Briest“. Nur schaffen Futschers Chinesen keinen „Angstapparat aus Kalkül“, sie sind harmlos, bunt und geeignet Wonne und Glück zu verbreiten, ob sie nun Zopf und Strohhut tragen oder nicht.
Futscher spielt mit Bildern und noch lieber mit Wörtern. Bei ihm bekommt der Eckensteher Gesellschaft, denn was spricht eigentlich gegen Kurvensteher oder Brückensteher? Die öde Realität? In der gibt es ja nicht einmal Kumpels für das Wohnzimmertier. Wenn in Wirklichkeit ein Mensch Hunger hat, dann liegt er ja leider nicht gemütlich auf dem Sofa mit einer Katze auf dem Bauch, wie bei Christian Futscher.

„Die Katze schnurrte,
mein Magen knurrte“

Und was sich reimt, ist schön, das wusste schon der Pumuckl. 

Übergeknallt und durchgeschnappt

Gedichte riechen himmlisch, behauptet Futscher. Zwar hat noch nie jemand nach dem Geruch von Gedichten gefragt, aber der Autor kennt sich gewiss besser aus, schließlich schreibt er sie. Zum Weinen bringen seine Gedichte weder ihn selbst noch uns Leser:innen. Zum Weinen bringt einen die Zwiebel. 

„… du weinst?
Ach so, das ist nur
wegen der Zwiebel und nicht
wegen dem Gedicht“

So fantasievoll und verspielt Futschers Verse auch sein mögen, die Themen stammen alle aus einem recht geerdeten Alltag, in dem der Stinker „stinkt wie blöd“ und alle anderen stinken ab gegen ihn. Die Kühe im Stall freuen sich über den Furzkäfer, der so viel besser furzen kann als sie.

„darum heißt er auch Furzkäfer,
die Kühe jedoch nicht Furzkühe“

Überaus Wissenswertes sammelt Futscher auch zum Kalender, wenn er etwa reimt

„Im Jänner
Traf ich einen Penner“

und reimend das Jahr abschreitet, dabei existenzielle Fragen stellt wie: Warum gibt es Vogelscheuchen, aber keine Menschenscheuche? Und warum heißt es „durchgeknallt und übergeschnappt“ statt „übergeknallt und durchgeschnappt“? Warum ist unsere Sprache überhaupt so schablonenhaft, dass wir uns Fragen wie diese gar nicht mehr stellen? Futschers Gedichte sind wie ein kräftiger Windstoß, der die festen Formeln ordentlich durcheinanderwirbelt. Und das tut gut. Gut, die brillante Eleganz eines Robert Gernhardt hat Futscher nicht, auch nicht die Komik von Bernd Eilert oder die selbstvergessene Märchenhaftigkeit eines F.W. Bernstein – aber ein bisschen von alledem und dazu eine fröhliche Renitenz, die man lesend dankbar aufnimmt, denn

„Nur im Schlaf,
ist der Pauli brav“.

Dieser Artikel erschien bereits in der KULTUR-Print-Ausgabe / März 2023.

Christian Futscher: Welche Wonne, welches Glück. Böse und andere Gedichte für Groß und Klein, Edition Melos, Wien 2022, gebunden, 84 Seiten, ISBN: 978-3-9505056-8-9, € 22