Christian Futscher: „Froschkonzert"
In seinem neuen Gedichtband „Froschkonzert“ lobt Christian Futscher das hüpfende Tier und die fröhlichen Poeten.
Von einem grasgrünen Titelbild schauen zahllose Froschaugen, Schmetterlinge schwirren um zart schwebende Blätter: der Umschlag, den sich Inge Mayer für Christian Futschers „Froschkonzert“ ausgedacht hat, ist so anmutig und frisch wie die Lyrik des Autors.
Wobei der auch den Schlenker in sarkastische Töne nicht scheut, etwa in der Antwort an einen Graffiti-Künstler:
An der Hauswand
Stand groß:
„SCHAU NICHT SO BLÖD!“
Klein schrieb ich
Darunter:
„Ich kann nicht anders.“
„Blöd schauen“ ist nämlich eine spezielle Qualität, bricht mit den genormten Sehgewohnheiten. Wer blöd schaut, entdeckt etwas Neues und kann über die ausgetretenen Pfade tanzen derer, die immer schon wissen, was kommt. Oder hüpfen wie ein Frosch.
„Der Frosch im Auge“, sinniert Futscher, das könnte der Titel für ein Gedicht sein. Das Gedicht hat er zwar noch nicht geschrieben, aber Frösche kommen in allerhand Gestalten in seiner Lyrik vor, nicht selten als Erinnerung an die Kindheit, als Frösche keine wurden, weil die Kaulquappen in einem Wasserglas zugrunde gingen.
Mamy Blue
Nichts ist für das Empfinden und für das Denken so prägend wie das Erleben als Kind – diese schlichte Tatsache findet bei Futscher einen verhalten fröhlichen Ausdruck. Da fehlen selbst ästhetische Verirrungen nicht. Seine erste Single, gesteht er, war „Mamy Blue“ von den Pop Tops. Das ist vielleicht für einen Erwachsenen ein Song von unvergleichlicher Ödnis, aber darum geht es nicht. Es geht um das Gefühl, das er in einem Kind wachrief – und dieses Gefühl ist so rätselhaft wie faszinierend. Ihm nachzugehen war sich auch ein Marcel Proust nicht zu schade.
„Don’t let me down!“ sangen einst die Beatles, „lass mich nicht im Stich“. Futscher ist keiner, der ein Kind im Stich lässt. Seine Erinnerungen schaffen ihm einen Boden auf der Welt. Es ist ein Boden, den er mit dem Blick des Forschers untersucht. Und da kommen wieder die Frösche ins Spiel. Futscher findet sie zum Beispiel bei F. K. Waechter. Hat er sich den Mann ausgedacht, der mit drei Fröschen jongliert? Oder war es Futscher selbst? Und woher kommt plötzlich der Typ, der Blumen anspuckt?
„Auf meinem Papierschiff
Bin ich Kapitän,
auch im Blätterwald
ist es schön.“
Kein Autor lobt so ausdauernd und liebevoll seine Kolleg:innen wie Christian Futscher; jedes seiner Bücher verweist auf Lektüre, für die er den Dichter:innen aus ganzem Herzen dankt. Was sie schrieben, soll nicht vergehen, soll weiter gedacht, geträumt und jedenfalls weiter getragen werden. Als sein Freund Rainer ihn auf das Buch „Die Insel Felsenburg“ von Johann Gottfried Schnabel aufmerksam macht, da bedankt er sich dafür in angemessen barocker Manier, denn
„Voritzo admiere ich
Diese eigentümliche Sprache sehr,
die mich ungemein divertiert.“
Und wenn ein Dichter nicht mehr ist, wie zum Beispiel der wunderbare Georg Paulmichl, dann ist Christian Futscher fassungslos traurig:
„Er ist gestorben,
obwohl er geschrieben hat,
dass er nie stirbt.“
Christian Futscher: Froschkonzert. Czernin Verlag, Wien 2023, Hardcover, 136 Seiten, ISBN: 978-3-7076-0797-0, € 20