Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Peter Füssl · 11. Apr 2016 · CD-Tipp

Vijay Iyer – Wadada Leo Smith: a cosmic rhythm with each stroke

Der 74-jährige Trompeter Wadada Leo Smith – als AACM-Urgestein ein unermüdlicher Erforscher der afroamerikanischen Tradition und als Jazz-Avantgardist geprägt durch unversiegbare Experimentierlust – ist um genau 30 Jahre älter als der indischstämmige New Yorker Pianist Vijay Iyer, der vor allem durch seine Projekte mit dem Altsaxophonisten Rudresh Mahanthappa bekannt wurde und längst zu jenen allgemein anerkannten großen Avantgardisten seiner Generation zählt, die auch mit unzähligen Preisen und Auszeichnungen bedacht werden. Schon als Smith vor Jahren Iyer für sein legendäres „Golden Quartet“ engagierte, fühlten die beiden Querdenker eine außergewöhnliche Übereinstimmung in ihren musikalischen Auffassungen und Herangehensweisen.

Wie sehr die Chemie zwischen den beiden stimmt, zeigt sich nun in ihrer ersten gemeinsamen Produktion für das ECM-Label, dem Smith schon seit den frühen 70er-Jahren verbunden ist, und auf dem Iyer in jüngster Zeit mit „Mutations“ und „Break Stuff“ zwei seiner wichtigsten Alben vorgelegt hat. Kernstück ist die titelgebende, siebenteilige, vorwiegend aus gemeinsamen Improvisationen entstandene Suite „a cosmic rhythm with a stroke“, die Nasreen Mohamedi (1937-1990) gewidmet ist – ein Auftragswerk des Metropolitan Museum of Modern Art, das zur Eröffnung der großen Ausstellung für die renommierte indische Künstlerin diesen März erstmals öffentlich aufgeführt wurde. Iyer und Smith demonstrieren hier mehr als 50 Minuten eindrucksvoll die hohe Kunst des musikalischen Dialogs – schweifen durch meditative Gefilde, kulminieren in fesselnden expressiven Eruptionen und streuen auch mal Free-Jazz-Passagen ein, die durchaus mit Ecken und Kanten an den Hörgewohnheiten kratzen. Durchbrochen wird der anspruchsvoll intensive Dialog immer wieder durch sensible, eher reflektierend wirkende Solo-Passagen. Umrahmt wird dieses mehrteilige Kernstück von Iyers Komposition „Passage“ und Smiths „Marian Anderson“, das er der berühmten schwarzen Opernsängerin und Bürgerrechtsaktivistin gewidmet hat. Beides eher nachdenkliche Stücke, in denen die beiden Ausnahmekünstler ebenfalls ihr volles Repertoire an musikalischen Ausdrucksformen ausschöpfen können. Vijay Iyer bezeichnet Leo Smith in den Liner Notes als „hero, friend and teacher for nearly two decades“ – die Lehrzeit hat sich mehr als ausgezahlt.

(ECM/www.lotusrecords.at)